GELSENZENTRUM-Startseite

Die Verfolgung und Ermordung der Zeugen Jehovas aus Gelsenkirchen

← Zeugen Jehovas aus Gelsenkirchen


Ein Stolperstein für Wilhelm Gorny

Wilhelm GornyBild: Wilhelm Gorny, vor dem 17. April 1936

Wilhelm Gorny, geboren am 5. Januar 1899 in Gelsenkirchen, lebte mit Ehefrau Ida und Sohn Helmut in Gelsenkirchen-Buer in der Königgrätzer Straße 20. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Bergmann. Das Ehepaar Gorny gehörte seit Ende der 1920er Jahre der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung (IBV) [ab 1931 Zeugen Jehovas] an. Nach dem Landesverbot der religiösen Aktivitäten in Preußen am 24. Juni 1933, wozu damals auch das heutige Nordrhein-Westfalen gehörte, fanden in der Wohnung der Gornys weiter Zusammenkünfte statt, auch befand sich dort ein Literaturlager mit illegalen Wachtturm-Schriften. Diese beschlagnahmte die Gestapo bei ihren wiederholten Haussuchungen. Am 17. April 1936 wurde Wilhelm Gorny zusammen mit seiner Ehefrau in Buer verhaftet. Ab 23. April 1936 befand er sich in Essen in Untersuchungshaft und wurde zusammen mit 30 weiteren Zeugen Jehovas vom Sondergericht Dortmund am 7. August 1936 angeklagt. Die Anklage lautete auf Zuwiderhandlung gegen den Erlass des Preußischen Ministers des Innern vom 24. Juni 1933 sowie Vergehen gegen die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933. Der Staatsanwalt beschuldigte Gorny "unter völliger Missachtung des Verbots durch höchste persönliche Aktivität, die IBV, in der Stadt Gelsenkirchen-Buer wieder zu neuem straffgeordnetem Leben erweckt und laufend unterhalten" zu haben. Das Sondergericht verurteilte Wilhelm Gorny am 4. Dezember 1936 zu einer Gefängnishaft von zwei Jahren und sechs Monaten. Ida Gorny wurde zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Ida GornyBild: Ida Gorny, das Passfoto datiert auf den 7. März 1949

Wilhelm Gorny verbüßte die Haft in der Strafanstalt Hamm, wo ihn seine Frau besuchen konnte. Ida Gorny erfuhr von ihrem Mann, dass man ihn dort schlecht behandelte. Auf dem Entlassungsschein vom 18. Oktober 1938 findet sich der Vermerk „G. ist bei seiner Entlassung der Gestapo in Hamm übergeben worden". Es ist anzunehmen, dass er sich bei den darauf folgenden Verhören durch die Gestapo weigerte, eine speziell für Zeugen Jehovas verfasste Erklärung zu unterschreiben, mit der er seinem Glauben abschwören sollte. Die Gestapo ließ Wilhelm Gorny in das Konzentrationslager Buchenwald überstellen, wo er am 27. Oktober 1938 eintraf (Häftlingsnummer 1560).

Aus Erzählungen des ebenfalls in Buchenwald inhaftierten Zeugen Jehovas Michael Wnendt aus Gelsenkirchen erfuhr die Familie nach Kriegsende, dass Wilhelm Gorny im Steinbruch des Lagers arbeiten musste. Dort hatte er mehrere Unfälle und wurde von der SS wiederholt geschlagen. Kurz vor der Befreiung des KZ kam Gorny auf einen Gefangenentransport mit Ziel KZ Dachau. Cirka 150 km vor Dachau befreiten die Amerikaner die Häftlinge in Amberg/Oberpfalz. Völlig erschöpft und schwer krank brachte man ihn am 5. Mai 1945 ins dortige Standortlazarett (im damaligen Mädchenlyceum). Nach 11 Tagen verstarb Wilhelm Gorny am 16. Mai 1945 an den Folgen der in neun Jahren Haft erduldeten Misshandlungen im Alter von 46 Jahren. Man beerdigte ihn auf dem Amberger Kriegerfriedhof.

Im November 1953 stellte Ida Gorny beim Dezernat für Wiedergutmachung in Münster/Westfalen einen Antrag auf Gewährung von Entschädigung wegen Schaden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen. Am 22. Dezember 1955 gewährte die Behörde Ida Gorny und ihrem Sohn Helmut als Erben von Wilhelm Gorny eine Kapitalentschädigung.

→ Dokumente der Verfolgung von Wilhelm Gorny

→ Stolpersteine in Gelsenkirchen

Mit freundlicher Genehmigung, Jehovas Zeugen in Deutschland


Andreas Jordan, April 2010

↑ Seitenanfang