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Die Verfolgung und Ermordung der Zeugen Jehovas aus Gelsenkirchen

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Ein Stolperstein für Peter Heinen

Peter HeinenBild: Peter Heinen

Peter Heinen (geboren um 1902) wohnte in Gelsenkirchen in der Neuhüller Straße 27. Am Mittwoch, dem 7. Oktober 1936, führte die Gelsenkirchener Gestapo bei der Familie Heinen eine Haussuchung durch. Eine Nachbarin hatte zuvor gegen Peter Heinen Anzeige erstattet. Obwohl die Gestapo kein belastendes Material fand, verhaftete sie Heinen und nahm ihn mit in das Polizeigefängnis, das sich damals im Rathaus Gelsenkirchen befand. Zwei Tage später, am 9. Oktober 1936, war Peter Heinen tot. Die Gestapobeamten hatten ihn zuvor gefoltert und schließlich zu Tode geprügelt. Auf dem Rücken des Verstorbenen waren die Spuren des gewaltsamen Todes, verursacht durch heftige Schläge mit Gummiknüppeln, zu erkennen. Der Familie teilte man jedoch mit, Peter Heinen hätte sich in einer Gefängniszelle erhängt. Seine Beerdigung fand unter Beobachtung der Gestapo statt. Es war den Trauernden untersagt worden, eine Ansprache zu halten oder ein Gebet zu sprechen. Einen am Grab anwesenden Freund des Toten, ebenfalls ein Zeuge Jehovas, verhaftete die Gestapo und misshandelte ihn eine Woche lang. Unter Polizeiaufsicht wurde Peter Heinen schließlich der Erde übergeben.

Am 14. Oktober 1936 übersandten die Gelsenkirchener Zeugen Jehovas einen Brief an den Reichskanzler Adolf Hitler, in dem sie den Mord an Peter Heinen schilderten und an ihn appellierten, die Angelegenheit zu prüfen und entsprechende rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten. Ebenso erhielt der Chef der Deutschen Polizei Reichsführer SS Heinrich Himmler sowie der Stellvertreter von Adolf Hitler, Rudolf Heß, je eine Durchschrift des Briefes.

Im Juni 1937 machten Jehovas Zeugen den Fall Heinen sowohl im Inland durch die Verteilung eines Flugblatts betitelt „Offener Brief als auch im Ausland in verschiedenen Zeitungsartikeln publik.

Am Sonntag, den 20. Juni 1937, fand mittags zwischen 12.00 und 13.00 Uhr zeitgleich in vielen Orten Deutschlands die Verbreitung des Flugblatts „Offener Brief statt. Darin klärten Jehovas Zeugen die deutsche Bevölkerung über die Verbrechen des Naziregimes auf und verurteilten aufs Schärfste die Verfolgungspraktiken der Gestapo und die Zustände in den Gefängnissen und Konzentrationslagern. Im Text dieses Flugblattes wurde die Verfolgung der Zeugen Jehovas im „Dritten Reich" mit den Folterungen der Inquisitionszeit verglichen. Unter Nennung von Ort und Namen der beteiligten Gestapo-Beamten berichtete das Flugblatt über Misshandlungen mit Knüppeln und Ochsenziemen und über gewaltsame Tötungen. In Kursivschrift hervorgehoben wurde der Satz Bei der Misshandlung haben sich unter anderen besonders der Kriminal-Assistent Theiss aus Dortmund, Tennhof und Heimann von der Geheimen Staatspolizei Gelsenkirchen und Bochum hervorgetan. In dem Flugblatt heißt es über Peter Heinen, dass er „von Beamten der Geheimen Staatspolizei im Rathaus zu Gelsenkirchen erschlagen" wurde.

1938 veröffentlichte Franz Zürcher, der damalige Leiter des Zweigbüros der Watch Tower Society in Bern (Schweiz), das Buch Kreuzzug gegen das Christentum. Es enthielt eine Auswahl von Augenzeugenberichten über die Misshandlungen der deutschen Zeugen Jehovas durch die Gestapo und in den Haftanstalten des Deutschen Reiches, die heimlich über die Grenze nach Bern gebracht worden waren. 1939 erschien das Buch ebenfalls in Französisch und Polnisch. Auf den Seiten 180 und 181 wird ausführlich der Fall Peter Heinen geschildert.

→ Dokumente der Verfolgung von Peter Heinen

→ Stolpersteine in Gelsenkirchen

Mit freundlicher Genehmigung, Jehovas Zeugen in Deutschland


Andreas Jordan, April 2010

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