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Das Kulturmuseum "Heimaterde" in Gelsenkirchen


Eine weitere "schillernde Figur" der Gelsenkirchener "Kulturszene" im so genannten "Dritten Reich" war Wilhelm Schmitt, geboren 1879 in Vreden. Er wurde 1905 in Gelsenkirchen als Lehrer an der städtischen Oberrealschule eingestellt, ab 1908 lehrte er am Progymnasium Buer. Schmitt engagierte sich neben seiner Lehrtätigkeit auf dem Gebiet der "Heimatpflege". Der Aufbau des "Kulturmuseums Heimaterde" ist in erster Linie das Werk des Wilhelm Schmitt. Er war Vorsitzender des Vereins für "Orts- und Heimatkunde Buer", der bereits 1890 gegründet worden war. Wilhelm Schmitt verließ Gelsenkirchen kurz nach Kriegsende. Er verstarb 1961 und wurde in Buer begraben.


Wilhelm Schmitt hatte in Münster und Straßburg studiert und wurde 1905 in Gelsenkirchen als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Heimatkunde an der städtischen Oberrealschule eingestellt. Ab 1908 lehrte er am Progymnasium in Buer, bis er 1938 aus gesundheitlichen Gründen pensioniert wurde. Neben seiner pädagogischen Tätigkeit engagierte sich Schmitt aktiv auf dem Gebiet der Heimatpflege und war Vorstandsmitglied des 1890 gegründeten "Vereins für Orts- und Heimatkunde Buer". (...)

(...) Schmitt bemühte sich, von der Stadt geeignetere Räume für das Heimatmuseum bereitgestellt zu bekommen. Nachdem ein Vorstoß, ein Wirtschaftsgebäude des Schlosses Berge zu nutzen, gescheitert war, einigte man sich darauf, das alte Amtshaus in der Essener Straße in Buer als Museum einzurichten. Im September 1932, "am 85. Geburtstage des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg" fand die feierliche Eröffnung statt. Mit der Bereitstellung kommunaler Räume wurde die Position der Stadt dem Bueraner Verein für Orts- und Heimatkunde gegenüber gestärkt. Die Kommune betonte in der Folgezeit ihre Eigentumsrechte an von ihr bereitgestellten Exponaten und pochte nachdrücklich auf ihr Mitspracherecht in Vorstand und Beirat des Vereins. Der Umzug erhöhte die Besucherzahlen des Museums schlagartig. 1932 konnten bereits 5.800, 1933 ca. 13.500 Besucher verzeichnet werden.

Einen zweiten Entwicklungsschub brachte dann die nationalsozialistische Machtübernahme in Gelsenkirchen. Dabei kam es nicht zu personellen Veränderungen. Die Stadt konnte und wollte nicht auf das Engagement Schmitts verzichten, zumal sich dieser eifrig bemühte, dem Geist der "neuen" Zeit Rechnung zu tragen. Hatten sich die Neuanschaffungen der vorhergehenden Jahre vor allem aus Zufallsspenden folkloristischer Art zusammengesetzt, so forcierte der Museumsleiter nun gezielt den Erwerb "nationaler" Exponate. Bereits im April 1933 bat Schmitt die Stadtverwaltung um Exemplare der "National-Zeitung" aus den Tagen der Machtübernahme und versuchte, für eine geplante Ausstellung im Rahmen der städtischen Ludwig-Knickmann-Feier Devotionalien des nationalsozialistisch vereinnahmten Ruhrkampf-Märtyrers an sich zu ziehen. Auch wandte sich Schmitt mit der Bitte an die Buersche Bevölkerung, dem Museum "Andenken, Plakate und Bilder" aus der Zeit der "nationalsozialistischen Revulution" zu spenden.

Das Engagement des Museumsleiters lohnte sich offensichtlich, denn neben den üblichen Hausrats- und Kunsthandwerksgegenständen konnte das Museum 1933 zahlreiche Militaria, "Hitlerplakate und Plaketten" und andere politische Erinnerungsstücke durch Schenkung erwerben. Daneben kaufte Schmitt 1 Hitlerbild, 1 Bild Ludwig Knickmann, 2 Tafeln Rassebilder, 2 Tafeln zur Familienforschung und Erblehre, 1 Bild "Das Hakenkreuz im Wandel der Jahrtausende" sowie 1 Bild "Schlacht im Teutoburger Wald". Neben den Bemühungen, die Sammlung durch nationale Devotionalien aufzustocken, veranstaltete das Museum nach 1933 einige völkisch-nationale Ausstellungen, so z.B. im Sommer 1933 eine Ausstellung zum Ruhrkampf in Gelsenkirchen oder 1934 mehrere Ausstellungen zum Weltkrieg. Auch kooperierte man 1936 mit der NSKG, die einige kleinere Ausstellungen präsentierte.(...)

Neben den Bemühungen, die Sammlung durch nationale Devotionalien aufzustocken, veranstaltete das Museum nach 1933 einige völkisch-nationale Ausstellungen, so z.B. im Sommer 1933 eine Ausstellung zum Ruhrkampf in Gelsenkirchen oder 1934 mehrere Ausstellungen zum Weltkrieg. Auch kooperierte man 1936 mit der NSKG, die einige kleinere Ausstellungen präsentierte.

(...) Abhilfe versuchte Schmitt 1938 durch eine Neuordnung der Sammlung zu schaffen, wobei er sich bemühte, das Museum deutlicher als zuvor auf ein nationalsozialistisches Heimatverständnis auszurichten. Dass Schmitt dieses Verständnis zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend antizipiert hatte, vielleicht sogar bereits vor 1933 damit konform gegangen war, zeigen seine verquasten Erläuterungen zur Schausammlung im "Führer durch das Kulturmuseum Heimaterde", der anlässlich der Wiedereröffnung des Museums im Dezember 1938 geschrieben wurde. Zuvorderst diene die Sammlung der Förderung einer emotionalen Bindung des Menschen an seine rassische Vergangenheit: "Wir dürfen nicht vergessen, daß wir das suchen müssen, was nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen füllt. Vorbilder sollen dabei erwachsen zu allgemeinem menschlichen Wirken und Sein. (...) So soll das Heimatmuseum auch eine Weihestätte für die geheimnisvolle Welt des erhöhten Seelenlebens werden."

Zu diesem Zweck waren die Museumsräume themalisch gegliedert. Zwei Räume standen unter dem Motto "Bäuerliches Wohnen". Hierzu führte Schmitt aus: "Waffe und Werkzeug, Haus und Hausrat, selbst Möbel und fahrende Habe, Pflanzen-, Tier- und Menschreichtum von der Wiege zur Urne oder Sarg und bis über den Eigentod hinaus in Volk und Ewigkeit, alles hängt aufs engste mit Boden, Volkstum und Rasse zusammen. In diesem Sinne soll das Heimatmuseum ein Volks-, Heimat- und Heldendenkmal sein und weiter werden."

(...) Die Kompatibilität dieses Heimatkonzeptes aus dem vergangenen Jahrhundert mit den Ansprüchen "moderner" NS-ldeologie bewies Schmitt in der Beschreibung des Ausstellungsraumes "Rassenkunde". Hier pries der Museumsleiter ohne jeglichen Realitätsbezug die angebliche westfälische Bodenständigkeit der Gelsenkirchener Bevölkerung: "Je näher der Mensch der Natur und dem Boden bleibt, gleich dem schollenfesten Bauern, der trotz allem seit 4000 Jahren in unserer Heimat sitzt, um so unvergänglicher bleibt sein Geschlecht, wenn Blut und Rasse gesund und rein bleiben. Das ist die Frohbotschaft des Heimatbodens.

Den Mittelpunkt der Dauerausstellung bildete allerdings ein Ausstellungssaal, der vorwiegend als Unterrichtsraum diente und in dem die Devotionalien der NS-Geschichte Gelsenkirchens präsentiert wurden: "Der große Ausstellungsraum mit eingebauter Vitrine ist gleichzeitig nationaler Ehren- und Schulungsraum. Hier soll u.a. auch die Geschichte des Dritten Reichs, wie es sich in Gelsenkirchen durch Reichsparteitage u.a. offenbart, dargestellt werden.

Nach Ausbruch des Krieges bemühte sich Schmitt ohne Gespür für den tatsächlichen Ernst der Lage darum, gerade diesen Teil der "Heimatgeschiente" durch Ausstellungsstücke zu dokumentieren und angemessen für die Nachwelt zu konservieren. So teilte er Ende 1941 dem Kulturdezernenten Schossier mit, welche Sammlungserweiterungen für die nächste Zeil zu erwarten seien. Es handele sich um eine "Sammlung der auf die Flur und die Gebäude unserer Stadt niedergegangenen und vom Polizeipräsidium Recklinghausen dienstlich gesammellen Danaergeschenke der feindlichen Flieger: Seidenschirme, Bomben- und sämtliche Geschoßreste usw. sowie Lichtbilder der in der Stadt angerichteten Schäden usw. (...) Das gibt einen wertvollen Teil der Abteilung "Kriegs- und Notjahre der Heimat", die hier ja eingerichtet ist."

(...) Neben der Dauerausstellung betreute Schmitt seit 1938 auch regelmäßig stattfindende kleinere Kunstausstellungen im Heimatmuseum, die bis mindestens 1943 präsentiert wurden. Der Schwerpunkt lag hier auf der Ausstellung von Werken heimischer Künstler in Einzel- oder Gruppenschauen. Daneben wurde aber auch das weite Spektrum der Volkskunst und des Kunsthandwerks abgedeckt. Während der Endphase des Krieges wurde ein Großteil der Exponate des Museums dezentral in Büros oder Keller ausgelagert und entging so vermutlich weitgehend der Vernichtung durch den Bombenkrieg. Da jedoch die noch intakten Museumsräume nach dem Zusammenbruch der Naziherrschaft 1945 als Schulräume genutzt wurden, bot sich keine Gelegenheit, das Museum rasch zu rekonstruieren. Zahlreiche Exponate gingen in dieser Zeit verloren oder wurden gestohlen. Hinzu kam der Weggang Wilhelm Schmitts aus Gelsenkirchen. Der Museumsleiter verließ die Stadt kurz nach Kriegsende und siedelte nach Münster über. Über die genauen Gründe für seinen Weggang kann nur spekuliert werden, sie dürften aber im privaten Bereich zu suchen sein. 1961 starb Schmitt in Laer und wurde in Buer beerdigt.

Vgl. hierzu: "Nationalsozialistische Kulturpolitik im Gau Westfalen-Nord" von Christoph Schmidt; S. 206-210

Andreas Jordan, Mai 2008