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Werner Mölders, geboren in Gelsenkirchen

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Werner Mölders - Vorbild oder Nazi?

Einleitend eine Zusammenfassung eines Telefongesprächs am 26. November 2001 zwischen Herbert Weber und Victor Mölders, dem Bruder des Jagdfliegers Werner Mölders. Herr Weber hat diese Niederschrift freundlicherweise GELSENZENTRUM zur Verfügung gestellt:

Erinnerungen von Victor Mölders

Inhaltsübersicht:

  1. Mölders Werdegang bis zum Eintritt in die Legion Condor

  2. Hintergründe zum Verständnis des Spanischen Bürgerkriegs

  3. Die Positionen: Republikanische Linke contra Nationalistische Rechte

  4. Eine Legion auf Urlaub im Krieg oder: Der braune Wolf im Schafspelz

  5. Guernica - Deutsche Fliegerasse "spielen" totaler Krieg

  6. Leistungsbewertung der Deutschen "Fliegerasse"

  7. Ein Bild hält in Erinnerung, was alle vergessen sollten

  8. Werner Mölders - Eine Blitzkarriere zur Zeit der Blitzkriege

  9. Der Mythos Mölders - Entstehung einer Legende

10. Die Entzauberung des Ritters der Lüfte

11. Das Festhalten der Bundeswehr an ihrem Nazi-Idol

12. Meine persönliche "Frag"-Würdigung von Mölders

13. Quellen zum Thema Mölders und Guernica

Erinnerungen von Victor Mölders

Victor Mölders ist 1914 geboren und lebt mit seiner 2. Frau in Essen. Er war Pionier-Offizier als sein Bruder Werner 1938 als Jagdflieger der Legion Condor am spanischen Bürgerkrieg teilnahm und ließ sich wegen seiner Begeisterung für die Fliegerei in die Luftwaffe versetzen. Dort wollte er nach unzähligen Schulungen den Posten eines Flugzeugführers erreichen. Nach harter Ausbildung und Absolvierung aller möglichen Prüfungen wurde ihm die Eignung als Pilot zuerkannt. Er wurde aber zunächst als Beobachter eingesetzt und flog überwiegend mit im Zerstörerflugzeug ME 110.

Vor Beginn des Polenfeldzugs im September 1939 wurde er schließlich Pilot und einer Jagdstaffel zugeteilt, die den Einsitzer ME 109 flog. Während sein Bruder Werner an der deutschen Westgrenze nur Aufklärungs- und Sicherungsflüge durchführte, kam Victor Mölders in Polen zu seinem ersten Luftsieg. Nach der Eroberung Frankreichs 1940 wurde Victor Mölders in das von seinem Bruder Werner Mölders als Kommodore geführte Jagdgeschwader übernommen und als Hauptmann mit der Führung einer Staffel betraut.

1940 am Kanal: Werner (links) und Victor Mölders (2ter v. rechts)

Bild: Herbert Weber. 1940 am Kanal: Werner Mölders Vorne links, Victor Mölders ganz rechts

Im Herbst 1940, als die deutsche Luftwaffe in der Schlacht um England noch die Lufthoheit besaß, flog Victor Mölders in vielen Einsätzen als sogenannter Jagdbomber eine ME 109 mit untergehängter Bombe. Das Flugzeug war wegen der Gewichtsbelastung wesentlich langsamer geworden Ziele waren stets Schiffe in der Themse-Mündung.

Bei einem solchen Feindflug wurde die Maschine von einer Spitfire angegriffen und 32 mal getroffen. Victor Mölders blieb glücklicherweise unverletzt, mußte aber mit stehendem Motor in eine tief hängende Wolke abtauchen, um dem Todesstoß der Spitfire zu entkommen. Da er an Höhe verloren hatte und deshalb ein Aussteigen trotz schon abgeworfenen Kabinendachs nicht mehr möglich war, landete er die Maschine im Gleitflug sicher auf einer englischen Wiese. Es war der 7. Oktober 1940.

Nachdem er die Maschine durch Feuer zerstört hatte, eilte die "Home Guard" herbei und nahm ihn gefangen. Es wurde seine Identität anhand des Soldbuchs festgestellt. Er wurde in ein Bauernhaus geführt, wo ihn die Farmers Frau mit Tea and Sandwich zu beköstigen hatte. Eine herbeigeeilte militärische Einheit nahm ihn dann mit in eine Stadt, wo er sich im Gerichtsgebäude der ersten Vernehmung durch einen englischen Offizier stellen mußte. Auch hier eine ritterliche Behandlung, wieder mit Tea and Sandwich und auch Zigaretten. Die Engländer waren zu dem Zeitpunkt davon ausgegangen, das berühmt-berüchtigte Jagdflieger-Ass Werner Mölders geschnappt zu haben.

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Nach Aufklärung dieses Irrtums hat ein Vernehmungsoffizier zugegeben, daß man eine spezielle Jagd auf Werner Mölders mache, der seine Angreifer immer wieder durch besondere Angriffs- und Ausweichtaktiken düpiere. Werner Mölders flog nämlich seine Einsätze stets in kleinster Formation, nur er und ein Schwarm von drei weiteren Maschinen. Galland habe sich stets im großen Pulk seines Geschwaders wohlgefühlt und so seine Abschüsse erzielen können. Victor Mölders ist in England stets korrekt behandelt worden, wurde aber im Januar 1941 in ein Kriegsgefangenenlager nach Kanada verlegt, wo er bis 1946 blieb.

Als sein Bruder Werner am 22. November 1941 bei Breslau tödlich verunglückte, wurde ihm die Nachricht vom kanadischen Lagerkommandanten persönlich überbracht, der ihm dann auch später über die den Alliierten auf Umwegen zugegangenen Unglücksursachen berichtete. Victor Mölders wurde am 22. November 1946 aus der Gefangenschaft entlassen und u.a. von seinem ältesten Bruder (Jahrgang 1909, 1979 verstorben) darüber informiert, daß nach dem Tode von Werner Mölders Gerüchte kursierten, die von einer regime-gewollten Beseitigung des berühmten Jagdfliegers sprachen. Werner Mölders's bekannte religiöse Einsteilung, seine aus Gymnasiumszeiten stammende Bekanntschaft zum damaligen regime-kritischen Münsteraner Kardinals Graf Galen und seine öffentlich geäußerte Kritik an den Euthanasie-Exzessen ließen den Schluß zu, daß man sich durch ein Attentat eines Unliebsamen entledigt hatte. Aussagen ehemaliger Mitstreiter aus seinem Geschwader sprachen aber von Loyalität und Pflichterfüllung des Inspekteurs der Jagdflieger, der inzwischen zum Oberst befördert worden war.

Die einzige Einschränkung, die sich Werner Mölders in dieser Position gefallen lassen mußte, war, daß er mit einem Feindflug-Verbot belegt war. Victor Mölders war es 1949 möglich, Kontakte zu zwei Überlebenden des Absturzes aufzunehmen und mit ihnen zusammenzutreffen. Es waren ein Major Wenzel und der Beobachter aus der HE 111. Das Flugzeug samt Besatzung war auf der Krim von General Jeschonnek zur Verfügung gestellt worden. Es sollte Oberst Mölders befehlsgemäß nach Berlin zwecks Teilnahme am Begräbnis von Generaloberst Ernst Udet bringen. Mölders wäre liebend gern alleine mit seiner ME 109 geflogen, aber das Wetter erlaubte es nicht. In der zweimotorigen HE 111 nahm Werner Mölders rechts vom Piloten in der Kanzel Platz und hinter ihnen der Bordwart. Major Wenzel und der Beobachter hielten sich im mittleren Teil des Flugzeugs auf. In der Nähe von Breslau hat einer der Motoren angefangen zu stottern und fiel schließlich aus.

Der Pilot wollte von Werner Mölders wissen, was er machen solle: Notlanden oder auf den Breslauer Flugplatz zusteuern. Werner Mölders hat sich nicht eingemischt, sondern den Piloten an seine fliegerische Verantwortung erinnert. Der mit dem Breslauer Flugplatz aufgenommene Funkverkehr soll schlecht gewesen sein. Dennoch hat der Pilot versucht, den Kurs in Richtung Flugplatz zu ändern. Plötzlich ist dann auch der zweite Motor ausgefallen. Beim Versuch einer Notlandung mußte die Maschine einem Fabrikschomstein ausweichen. Bei dem Flugmanöver ist die HE 111 dann instabil geworden und aus niedriger Höhe abgeschmiert, also abgestürzt. Der Pilot, Werner Mölders und der Bordwart waren sofort tot, die beiden anderen Insassen nur leicht bis schwer verletzt. Nach Aussage des Major Wenzel hat nichts auf eine Manipulation hingewiesen; Untersuchungen nach der Absturzursache haben eindeutig Motorversagen ergeben, wobei man auch die ungewöhnlich lange Flugdauer in Betracht gezogen und für den Maschinenschaden mitverantwortlich gemacht hat.

Victor Mölders hat während der langen Gefangenschaft versucht, sich auf einen späteren Beruf vorzubereiten. Er hatte Gelegenheit, sich im Lager von einem Mitgefangenen (Oberbaurat/Architekt aus Köln) unterrichten zu lassen. Diese Vorbereitung und Abschlußprüfungen nach Rückkehr in die Heimat ermöglichten ihm 1947 als freier Architekt zu arbeiten und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er hat eine Zeitlang in Bevensen gewohnt und danach über 30 Jahre in Warstein und war auch in Dortmund selbständig. Er lebt jetzt schon wieder viele Jahre mit seiner zweiten Frau im Ortsteil Schuir in Essen, Nähe Kettwig. Bei einem Besuch im Londoner War Museum konnte Victor Mölders ein mit Erklärungen versehenes Bild seines Bruders erblicken, der auch bei den Briten nicht nur als einer der erfolgreichsten deutschen Jagdflieger Anerkennung findet, sondern auch als der Erfinder einer nachahmenswerten Luftkampftaktik - ein Angreifer von drei anderen Flugzeugen beschützt - gilt.

Ich habe mich gefreut, diese zusätzlichen Informationen von dem geistig außerordentlich beweglichen 87-Jährigen erhalten zu haben.

Autor: Herbert Weber, Iserlohn

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1. Mölders Werdegang bis zum Eintritt in die Legion Condor

Werner Mölders

Bild: Werner Mölders

Werner Mölders wird am 18. März 1913 in Gelsenkirchen Rotthausen geboren. Sein Vater Viktor ist eigentlich Studienrat, nimmt aber von Beginn als Leutnant der Reserve am 1. Weltkrieg teil und kommt 1915 in den Argonnen ums Leben. Nach dem ersten Weltkrieg zieht die Mutter Annemarie mit ihren beiden Söhnen an die Havel nach Brandenburg, wo Werner mit 17 sein Abitur macht. Zu Schulzeiten gehört er dem katholischen Bund "Neudeutschland" an. 1931 tritt Mölders der Reichswehr bei und beginnt seine Militärkarriere beim II. Infanterie Regiment im ostpreußischen Allenstein. Als er erfährt, dass Hitler heimlich eine Luftwaffe aufbaut, meldet sich der bis dahin zum Oberfähnrich aufgestiegene Mölders. Er möchte Pilot werden, wird aber bei seiner Tauglichkeitsprüfung als untauglich abgewiesen. Mölders lässt nicht locker, meldet sich erneut und wird im zweiten Anlauf als "bedingt tauglich" zugelassen.

Von Februar 1934 bis Juni 1935 durchläuft er die Flugzeugführerausbildung an verschiedenen Flugschulen in Cottbus, Tutow und Oberschleissheim. Im Sommer wird ihm das Flugzeugführerabzeichen verliehen und er wird als Leutnant in der Luftwaffe aufgenommen. Ab Juli 1935 gehört er dem Geschwader I./162 "Immelmann" in Lippstadt an, das im März 1936 an der völkerrechtswidrigen Besetzung des Rheinlandes teilnimmt. 1936 wird Mölders zum Oberleutnant befördert und meldet sich freiwillig zur Legion Condor. Er wird mit dem Aufbau einer Kampfsturzflugstaffel in Werl beauftragt. Im März 1937 wird er Staffelführer des Jagdgeschwaders 334 in Wiesbaden. 1938 übernimmt er im spanischen Bürgerkrieg die Jagdgruppe 88 des in Westerholt geborenen und durch einen Abschuss gesundheitlich angeschlagenen Adolf Galland.

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2. Hintergründe zum Verständnis des Spanischen Bürgerkriegs

Der Beginn des zweiten Weltkriegs wird allgemein mit dem Deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 gleichgesetzt. Frankreich und England stellten Deutschland damals ein Ultimatum, indem der sofortige Rückzug gefordert wurde und erklärten zwei Tage später Deutschland den Krieg. Was bei dieser Gelegenheit gerne übersehen wird, ist die Tatsache, dass sich Deutschland in den drei Jahren vorher bereits in einem Krieg befand.
Die Rede ist vom spanischen Bürgerkrieg und der deutschen "Legion Condor". Spanische Generäle unter José Sanjurjo und Francisco Franco putschten 1936 die linksgerichtete, demokratisch gewählte Regierung Spaniens, was auf Anhieb nicht recht gelingen wollte. Die Folge war ein von Juli 1936 bis April 1939 jenseits der Pyrenäen tobender Bürgerkrieg, der mit einem Sieg Francos endete und Spanien bis 1975 eine faschistische Diktatur bescherte.

3. Die Positionen: Republikanische Linke contra Nationalistische Rechte

Das Foto zeigt Franco und Hitler in Hendaya, ein Jahr nach dem spanischen Bürgerkrieg

Das Foto zeigt Franco und Hitler in Hendaya, ein Jahr nach dem spanischen Bürgerkrieg

An der Seite der loyal gebliebenen regierungstreuen Truppen, den "Republikanern", kämpften damals die so genannten "Internationalen Brigaden", ein von der Komintern rekrutierter Freiwilligenverband, bestehend aus - teils namhaften - Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten und Künstlern aus ganz Europa, deren Struktur sich allerdings für einen längerfristigen Erfolg als zu inhomogen herausstellte. Diesen Internationalen Brigaden gehörte übrigens auch der 1893 in Rotthausen geborene Kommunist und spätere Minister für Staatssicherheit der DDR, Wilhelm Zaisser an, aber das ist eine andere Geschichte ...

Auf Seiten der Faschisten kämpften die "Nationalisten", das war der putschende Teil der Armee, desweiteren verschiedene Söldnertruppen, die Falange, die "Corpo Truppe Volontarie" kurz C.T.V. - ein 70.000 Mann starkes italienisches Freiwilligenkorps des Diktators Benito Mussolini - und die Legion Condor, ein deutsches Fliegerkorps, bestehend aus 17.000 Mann, von denen sich im Schnitt immer ca. 7000 direkt in Spanien aufhielten.

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4. Eine Legion auf Urlaub im Krieg oder: Der braune Wolf im Schafspelz

Um die deutsche Teilnahme am Bürgerkrieg in Spanien geheim zu halten, wurden die Soldaten des Fliegerkorps in zivil und als Urlauber getarnt nach Spanien gebracht. Organisiert wurde das ganze als Ferienprogramm durch den KdF "Kraft durch Freude". Nach der Machtergreifung 1933 als politische Organisation gegründet, war die nationalsozialistische Gemeinschaft "Kraft durch Freude" (KdF) eine Organisation mit der Aufgabe, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten. Die KdF war eigentlich zur Gestaltung der Freizeit von Familie und Arbeiterschaft gedacht, quasi eine Art Tourismusunternehmen unter den Fittichen der Deutschen Arbeitsfront (DAF).

Diese Tarnung war notwendig, weil man die Existenz der Legion Condor verschleiern musste, da sie gegen geltendes Völkerrecht verstiess. Der Völkerbund hatte Deutschland nämlich aus Angst vor einem erneuten Angriffskrieg mit dem Versailler Vertrag untersagt, größere militärische Verbände zu unterhalten und aufzurüsten. Seit Beginn des Bürgerkrieges stattete Deutschland Francos Nationalisten mit Material und Waffen aus. Als Sofortmassnahme gab es im Juli 1936 bereits drei Flugzeuge und Ende August lieferten die Dampfer "Kamerun" und "Wigbert" weiteres Kriegsmaterial.

Insgesamt bestand die Legion Condor damals aus einer Jagdgruppe mit 27 Heinkel He 51, einer Kampfgruppe mit 30 Behelfsbombern Junkers Ju 52, eine Aufklärergruppe mit 6 He 45 und 12 He 70, einer Seefliegertruppe mit 9 He 59, einer He 60 und ein paar neuen Flugzeuge vom Typ Messerschmitt BF 109 und Dornier Do 17. Zur Bewaffnung dienten Sprengbomben der Firma Rheinmetall - Borsig sowie Splitter- und Streubrandbomben der IG Farben. Des Weiteren: 6 Flakbatterien, eine Luftnachrichteneinheit und einen Luftpark, bestehend aus Nachschub- und Instandhaltebasis. Auch die Flugzeuge waren "inkognito" in Spanien und deshalb nicht mit den in der Luftfahrt üblichen nationalen Hoheitszeichen ausgestattet, wie das für Deutschland damals übliche Eiserne Kreuz an Rumpf und Tragflächen und dem Hakenkreuz an der Schwanzflosse.
Seit dem 14. August 1936 unterstütze die Legion Condor aktiv mit Luftangriffen die Bodentruppen Francos und hat so zu einem großen Teil an dessen Erfolg über die Republikaner im Bürgerkrieg beigetragen, der am 1. April 1939 in Burgos offiziell für beendet erklärt wurde.

5. Guernica - Deutsche Fliegerasse "spielen" totaler Krieg

Heinkel He 111 im spanischen Bürgerkrieg

Eine deutsche Heinkel He 111 beim Abwurf von Bomben im spanischen Bürgerkrieg

Traurige Berühmtheit erlangte durch die Legion Condor die baskische Stadt Guernica "offizielles Ziel" des Angriffs soll eine strategisch wichtige Steinbrücke über den Fluss Oca gewesen sein, die die Stadt Guernica mit dem Hinterland verband. Dies macht allerdings aus militärstrategischer Sicht keinen Sinn, weil nur wenige Tage später Francos Truppen Guernica besetzten und die Stadt aus Sicht der heranrückenden Armee jenseits des Oca lag. Der brückenlose Fluss war somit ein Hindernis für den Einmarsch der Frankotruppen. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass die Legion Condor eine ganz andere Absicht verfolgte.Guernica gilt als die "heilige Stadt" der Basken an der spanischen Biscaya ein wenig ins Hinterland gezogen, gut 30 km östlich von Bilbao. In der Stadt leben am 26. April 1937 zwischen 5000 und 6.000 Einwohner als gegen 16.30 Uhr ein erster Bomber begleitet von Jagdflugzeugen auftaucht und seine Bomben mitten über dem Stadtzentrum und nicht etwa über der Brücke abwirft. Die Taktik mit der die Piloten damals vorgingen, lässt sich durch überlieferte Augenzeugenberichte wie folgt beschreiben:

Guernica nach dem Angriff am 26. April 1937

Luftaufnahme von Guernica nach dem Angriff am 26. April 1937

Die Stadt wurde in Wellen sowohl in Ost-West, als auch in Nord-Südrichtung überflogen. Jede Welle begann mit einer Bomberstaffel und weil man keinen Gegenangriff aus der Luft befürchten musste, flogen die Bomber nebeneinander, was eine breitere und damit eine flächendeckende Streuung der Bomben ermöglichte. Ein Anflug in Linie hintereinander hätte eine höhere Treffsicherheit und Trefferwahrscheinlichkeit bedeutet, weil theoretisch jedes Flugzeug die Möglichkeit gehabt hätte, über der Brücke seine Bomben abzuwerfen. So hat man zwar irgendwann die Brücke treffen können, aber der Abwurf der Bomben fand zum größten Teil und eher planlos über den Häusern des Stadtzentrums statt. Die Folge war, dass ein Teil der Menschen ihre brennenden Häuser verließ um auf die nahe gelegenen Felder zu flüchten. Nachdem die Bomber verschwunden waren, tauchten als zweiter Teil der Wellen die Tiefflieger auf und schossen mit ihren Bordkanonen auf die flüchtenden Menschen. Die deutschen Flugzeuge flogen mehrere Wellen, aber immer nach demselben Schema. Erst waren die Häuser Ziel von Bombern, anschließend wurden die Menschen von Maschinengewehrsalven der Jagdflieger heimgesucht. Die letzte Angriffswelle fand gegen 19.00 Uhr statt.

Innenstadt Guernicas nach dem Überfall

Die Innenstadt Guernicas nach dem Überfall durch die Legion Condor

Die Bombardierung und das anschließende Großfeuer vernichteten 80% der Häuser. Mehrer hundert Menschen kamen bei dem Angriff ums leben, wurden von Trümmern erschlagen, verbrannten oder starben im Kugelhagel der Tiefflieger. Ein Augenzeuge berichtet über die Angriffe wie folgt: "In einer Höhe von etwa 30 Meter flogen die beiden Maschinen hin und her wie fliegende Schäferhunde, die eine Menschenherde zum Schlachten zusammentreiben." Aus der Sicht der Deutschen Piloten, hier Wolfram von Richthofen: "Die 250er warfen eine Anzahl Häuser um und zerstörten die Wasserleitung. Die Brandbomben hatten nun Zeit, sich zu entfalten und zu wirken. Die Bauart der Häuser: Ziegeldächer, Holzgalerie und Holzfachwerkhäuser, führte zur völligen Vernichtung... Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll."

Siehe Gerhard Piper: Guernica - Geschichte eines Luftangriffs

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6. Leistungsbewertung der Deutschen "Fliegerasse"

Mittlerweise ist erwiesen, dass Hitler den spanischen Bürgerkrieg dazu benutzte, Flugzeuge und Waffen zu testen, lag doch Spanien ein wenig abseits des Reiches und war es diesem Reich doch vom Völkerbund untersagt, Waffen zu produzieren und eine Armee aufzubauen. Zwischen 30 und 40 Tonnen Fliegerbomben sind schätzungsweise auf die in Guernica lebenden Menschen abgeworfen worden. Demgegenüber standen zwei Maschinengewehre, die es tatsächlich in der Stadt gegeben hat. Soviel zum Thema" Ritterlichkeit von Fliegern".

Britische Beobachter vertraten damals schon die These, der Angriff sei ein "Konzept der Terrorisierung der Bevölkerung", weil er keinerlei militärische Ziele verfolgte und sich ausschließlich gegen Zivilisten gerichtet hat. Unterstützt wird diese These durch einen weiteren Angriff auf das Dorf Gálcadano, ein paar Tage zuvor, bei dem sich eine ähnliche Tragödie nach demselben Muster abspielte, nur im kleineren Maßstab und deshalb fast vergessen.

Im Klartext bedeutet das: Im spanischen Bürgerkrieg wurde mit der Legion Condor der Ernstfall des "Totalen Krieges" getestet und zwar nicht nur in Bezug auf militärisches Gerät, sondern erstmalig auch unter der Einbeziehung der Bevölkerung. Also noch weit über drei Jahre vor Coventry, Dresden u.a.. Ein knappes Jahr später übrigens begann man 1937 in Deutschland mit dem systematischen Aufbau von Luftschutzbunker, als wüßte man, was auf das Reich zukommt, wenn das Experiment Guernica auf ganz Europa ausgedehnt wird.

Über die Urheber des Massakers von Guernica herrschte lange Zeit Rätselraten. Franco hat jegliche Verantwortung von sich gewiesen und die Männer der Legion Condor waren zum Schweigen verpflichtet. Gegenüber den Behörden und der Wehrmachtsleitung in Berlin, die man durch den Trick mit der KdF, komplett außen vor gelassen hatte, bekam das deutsche Engagement den Stempel "Geheime Reichssache". Britische Kriegsberichtserstatter der Times und des Daily Mirror, die in der Nähe des Geschehens gewesen sind, berichteten allerdings davon.

Die Existenz der Legion Condor konnte in Deutschland eine ganze Zeit geheim gehalten werden. Erst gegen Ende der Operation im Frühjahr 1939 wurde sie bekannt, weil auch aus diesem Korps eine Anzahl Soldaten dem Bürgerkrieg zum Opfer fielen - insgesamt 233 Mann. Die britische Berichterstattung gab ihr übriges. Als Reaktion auf die Ausländischen Presse versuchte man in deutschen Wochenschauen die ausländischen Meldungen als jüdische Lügengeschichte hinzustellen und nannte die Bolschewisten als Verantwortliche des Massakers.

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7. Ein Bild hält in Erinnerung, was alle vergessen sollten

Pablo Picasso 'Guernica'

Pablo Picasso: Guernica

Viele Spanier und vor allem die Basken hat der terroristische Überfall tief in der Seele getroffen. Diese Tatsache wird noch verstärkt, weil Guernica für das Bergvolk eine heilige Stadt ist. Vor dem Justizpalast in Guernica stehen seit Jahrhunderten Eichen, die für die Basken eine sakrale Bedeutung haben. Das Thema ist von verschiedenen Künstlern der damaligen Zeit in Bildern und Schriften verarbeitet worden. Am bekanntesten ist wohl das Gemälde von Pablo Picasso "Guernica". es entstand 1937 und befindet sich heute in der Picassoabteilung des Museo Reina Sofía in Madrid.

8. Werner Mölders - Eine Blitzkarriere zur Zeit der Blitzkriege

Ob Werner Mölders direkt am Einsatz über Guernica teilgenommen hat ist nicht vollständig geklärt, aber eher unwahrscheinlich, da er zu dem Zeitpunkt des Terroranschlags eine Fliegerstaffel in Wiesbaden leitete. Sicher ist allerdings, dass er maßgeblich an der Schlacht um den Ebrobogen beteiligt war und mit 14 Abschüssen als der erfolgreichste Pilot der Legion Condor von den Nazis gefeiert und entsprechend dekoriert wurde. So erhielt er am 14. April 1939 von Adolf Hitler die für diesen Feldzug höchste Auszeichnung, das Spanienkreuz mit Brillianten.

Mölders mit Kameraden

Mölders mit Kameraden

Mölders Karriere im zweiten Weltkrieg liest sich wie ein Fliegerquartett. Zu Beginn des Krieges ist er als Kommodore des Jagdgeschwader 51 zur Grenzsicherung eingeteilt und nach 7 Abschüssen erhält er das Eiserne Kreuz I. Klasse. Gut einen Monat später im Mai 1940 nach 20 Abschüssen dann das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Anfang Mai wird er abgeschossen und gerät für 25 Tage in französische Kriegsgefangenschaft. Im selben Monat kapituliert Frankreich jedoch und er ist wieder frei. Am 20. Juli wird er zum Major befördert und leitet das Jagdgeschwader 51 in der Luftschlacht um England. Seinen 40. Luftsieg im September 1940 honorieren die Nazis mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz, seinen 50. im Oktober 1940 dann mit der Beförderung zum Oberstleutnant. Als Reaktion auf seinen 72. Abschuss werden Mölders die Schwerter zum Ritterkreuz mit Eichenlaub verliehen. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion wird sein Jagdgeschwader im Sommer 1941 an die Ostfront versetzt um die Heeresgruppe Mitte aus der Luft zu unterstützen. Am 15. Juli 1941 hat er dann seinen 101. Abschuss, bekommt zu seinem Ritterkreuz mit Schwertern und Eichenlaub auch noch die Brillianten. Hitler ernennt Mölders mit seinen 28 Jahren zum jüngsten Oberst in der deutschen Geschichte und seine Quartettkarte ist jetzt mehr wert als die von Manfred von Richthofen ... 101 Abschüsse: Stich ...

Nach seinem 115. Abschuss erhält Mölders Feindflugverbot und wird als Inspekteur der Jagdflieger direkt Hermann Göring unterstellt, wahrscheinlich auch, weil Göring ihn um seine Erfolge beneidet. Als sich der alkohol- und drogenabhängige Jagdflieger Ernst Udet am 17. November 1941 das Leben nimmt und Mölders sich 4 Tage später auf den Weg von der Ostfront nach Berlin macht, um an der Beerdigung teilzunehmen, stürzte seine Maschine am 21. November in Breslau ab und auch Mölders ist tot. Beide werden auf dem Invalidenfriedhof in Berlin neben dem Grab des "Roten Baron" Manfred von Richthofen beigesetzt.

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9. Der Mythos Mölders - Entstehung einer Legende

Die Person Mölders, seine Erfolge im Spanischen Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg wurde bereits zu Lebzeiten für die Propaganda der Nationalsozialisten ausgeschlachtet. So erschien 1941 das Buch "Werner Mölders und seine Männer" von Fritz von Forell, heute noch ein Bestseller in der rechtsradikalen Szene. Sein altes Jagdgeschwader 51 wurde nach seinem Tod umbenannt. Es erhielt den Namen "Jagdgeschwader Mölders" und den Angehörigen dieses Geschwaders war es erlaubt, das gleiche Ärmelband zu tragen. Während in Spanien die ganze Francozeit hindurch Guernica und die Legion Condor ein Tabuthema ist, beginnt man in Deutschland Mythen um die "legendären Flieger" dieses Auslandskorps "zusammen zu spinnen".

Propagandazeitung der Nazis

Propagandazeitung der Nazis: Wir kämpften in Spanien

Der Spanienkrieg ist immer wieder Stoff für heldenhafte Sagen über das fliegende deutsche Rittertum und genauso, wie sich eine große Anzahl der Soldaten der Legion Condor in die Bundeswehr retten können, wie Oberstleutnant Hannes Trautloft, Major Adolf Galland und Oberst Erwin Jaenecke, retten sich auch die Geschichten von den "Fliegenden Männern in ihren tollkühnen Kisten" und der "Rittern der Lüfte" in die Nachkriegszeit. Allen voran die heldenhaften Geschichten des Werner Mölders.




Er ist gleichsam für Nazis und Bundeswehr der Idealtyp des Jagdfliegers und Offiziers schlechthin. Seine Kampftaktiken wie "Rotte" und "4 Fingerschwarm" werden als seine großartigen Erfindungen dargestellt und er gilt für viele heute, wie damals als Vorbild. Seine Jungs nannten ihn "Vati", blickten zu ihm auf, wie zu einem Vater, weil er ein hervorragender Menschenführer gewesen sein soll.

Sein Engagement bei der Legion Condor, seine Erfolge im Luftkampf um England und an der Ostfront machen ihn zum unbesiegbaren Helden, seine fliegerischen Fähigkeiten mit unzähligen Abschüssen zum ungeschlagenen Fliegerass in zwei Kriegen, die alles andere als fair und ritterlich waren. Mölders war Katholik und hat während der Nazizeit kirchlich geheiratet. Eine Tatsache, die im September 1941 vielleicht den einen oder anderen Nazi die Augenbraue hochziehen ließ, aber was aufgrund seiner Erfolge wahrscheinlich großzügig übersehen wurde.

Die Bundeswehr nimmt diese Tatsache allerdings im kalten Krieg zum Anlass, um aus Mölders eine Art Widerstandskämpfer zu machen. Von Observation durch das Reichssicherheitshauptamt und die Gestapo ist die Rede und seinen Höhepunkt findet diese bewusste Verklärung darin, dass man Mölders Kontakte zu Clemens August Kardinal Graf von Galen nachsagt, der "mit brennender Sorge" als Bischof von Münster von der Kanzel gegen die Nazis und deren Euthanasieprogramm predigte und der eindeutig dem Widerstand zuzuordnen ist. Die Geschichte von den Beziehungen Mölders zu Kardinal von Galen wird in einem Gutachten 30 Jahre später als "wahrscheinlich frei erfunden" bewertet. Das hochstilisieren der katholischer Konfession ist nicht verwunderlich, denn sie passierte im Vorfeld der Bennung diverser Bundeswehreinrichtung mit dem Namen "Mölders".

Zerstörer D 186 'Mölders'

Zerstörer D 186 "Mölders"

1968 wird erstmals ein Zerstörer der Bundesmarine auf den Namen D 186 "Mölders" getauft. Er wird 2003 ausgemustert und ist heute als "größtes Ausstellungsstück" im Marinemuseum Wilhelmshaven zu besichtigen. Vier Jahre später erhält dann die Kaserne der II. Abteilung Fernmelderegiment 34 der deutschen Luftwaffe in Visselhövede den Namen "Mölders".

Jagdgeschwader 74 'Mölders'

Jagdgeschwader 74 "Mölders"

Im Jahre 1973 bekommt das in Neuburg an der Donau stationierte Jagdgeschwader 74 der Bundesluftwaffe den Namen "Werner Mölders" um an die Tradition des Jagdgeschwaders 51 der damaligen Luftwaffe anzuknüpfen.

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10. Die Entzauberung des Ritters der Lüfte

Am 20. September 1975 stirbt Francisco Franco. Die Diktatur in Spanien ist zu Ende und damit auch die Zeit des Schweigens über das schreckliche Verbrechen in Guernica. Auf der iberischen Halbinsel beginnt man das Thema aufzuarbeiten und in diesem Zusammenhang kommt es auch in Deutschland wieder auf den Tisch. Die Bundeswehr wird plötzlich mit Fakten konfrontiert, mit denen sie nicht umgehen kann oder will. Bis in die neunziger Jahre leugnen führende Angehörige der Bundeswehr den Überfall auf Guernica und werten ihn als "Guernica-Geschwätz" ab. Allen voran Oberst Walter Holinka und Generalmajor Jürgen Schreiber. Ähnlich wie um Auschwitz entsteht eine, ich nenne sie mal: "Guernicalüge", nur dass ihre Urheber nicht aus der Wehrmacht des alten Nazireiches kommen, sondern aus der Bundeswehr, der rechten Politszene und den Burschenschaften. Kritikern und Gelehrten, die sich mit dem Thema Guernica beschäftigen, wirft man Geschichtsfälschung vor oder bringt sie mit der ETA in Verbindung. Ähnlich wie die Nazis in ihren Wochenschauen drei Generationen vorher werden die Täter zu Opfern und die Opfer zu Tätern gemacht.

Während die Bundeswehr die Ereignisse um Guernica immer wieder herunterspielt und auch die Regierung sich nicht sonderlich für das Thema zu interessieren scheint, findet auf anderer Ebene eine Annäherung statt. Mitglieder der Friedensbewegung nehmen 1987 an den Feiern zum fünfzigjährigen Gedenken des Angriffs in Guernica teil. Petra Kelly und Gert Bastian von den Grünen legen einen Kranz nieder. 1989 wird die Städtepartnerschaft zwischen Guernica und der deutschen Stadt Pforzheim begründet, die nach einem Fliegerangriff am 23. Februar 1945 fast völlig zerstört wurde.

Zum sechzigsten Jahrestag des Kriegsverbrechens an die Basken erreicht die kontroverse Diskussion in Deutschland ihren Höhepunkt und wird zum Politikum. Guernica wird Thema im Deutschen Bundestag. Ein von der Opposition gefordertes Schuldgeständnis wird am 24. April 1997 mit den Stimmen der rechtsliberale Regierung unter dem Bundeskanzler und Historiker Helmut Kohl abgeschmettert und führt dazu, dass sich Bundespräsident Herzog in die Diskussion einmischt. Mit einem beeindruckenden Grußwort wendet er sich drei Tage nach der Bundestagsdebatte an die Einwohner von Guernica:

"Ich möchte mich der Vergangenheit stellen und mich zur schuldhaften Verstrickung deutscher Flieger ausdrücklich bekennen. An Sie als Überlebende des Angriffs, als Zeugen des erlittenen Grauens richte ich meine Botschaft des Gedenkens, des Mitgefühls und der Trauer. Ihnen, die die Wunden der Vergangenheit noch in sich tragen, biete ich meine Hand mit der Bitte um Versöhnung."

Das Grußwort des Bundespräsidenten ist der Wendepunkt in der Geschichte um die deutsche Kriegsschuld im spanischen Bürgerkrieg und der Aufarbeitung des Anschlags auf Guernica.

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11. Das Festhalten der Bundeswehr an ihrem Nazi-Idol und das Gutachten des MGFA

1998 beschließt der deutsche Bundestag, dass den Mitgliedern der Legion Condor keine ehrenden Gedenken mehr zuteil werden soll: "(...) bereits erfolgte Benennungen sind rückgängig zu machen". Die Verantwortlichen der Bundeswehr hielten es trotz des Beschlusses, nicht für nötig, ihre Einrichtungen umzubenennen. Begründet wurde diese sture Haltung damit, dass Mölders an der Bombardierung Guernicas gar nicht beteiligt gewesen sei. Die Folge dieser restriktiven Auslegung war die Beauftragung eines Gutachtens beim militärgeschichtlichen Forschungsamt durch Verteidigungsminister Dr. Peter Struck, welches im August 2004 vorgelegt wurde.

Das MGFA ist eine Forschungseinrichtung der Bundeswehr unter der Leitung von Oberst Hans Ehlert mit Sitz in Potsdam. In dem Gutachten über Mölders kommt das MGFA zu dem Entschluss, dass "Mölders bis zu seinem Tod stets im Sinne der Kriegsführungspolitik des NS Regimes gehandelt habe. Mölders entspricht dem Prototyp des Gefolgschaft beanspruchenden und erhaltenden Offiziers nationalsozialistischer Prägung, der sich auf eine Inszenierung als Held im NS Regime eingelassen hat. Eine Distanzierung Mölders zum Nationalsozialismus aufgrund seiner christlichen Prägung ist nicht zu belegen". Die Beziehungen zum katholischen Widerstand bezüglich Kardinal Graf von Galen bezeichnet das MGFA als "wahrscheinlich frei erfunden".

"Bei seinen Angriffen in Spanien nahm Mölders den Tod von nicht kämpfenden Zivilpersonen billigend in Kauf". Das Gutachten kommt zu dem Entschluss, dass "mit den Benennungen durch die nicht hinterfragte Übernahme von Mölders als soldatischem Vorbild in der Bundeswehr das grundlegende Prinzip der Inneren Führung ignoriert worden sei. Außerdem seien die für vorbildhaft gehaltenen militärischen Leistungen ihres historischen und politischen Kontextes entkleidet und an keiner Stelle problematisiert worden, dass sie im Rahmen eines Angriffs- und Vernichtungskrieges für das NS-Regime erbracht wurden." Als Ergebnis des Gutachtens wird die Umbenennung der mit Mölders bezeichneten Einrichtungen empfohlen.

Wenn man die Ergebnisse des Gutachtens betrachtet, könnte man meinen, die Diskussion um Mölders wäre abgeschlossen und einer Rückbennung der den Namen Mölders tragenden Institutionen würde nichts mehr im Wege stehen. Immerhin handelt es sich bei dem MGFA um eine Einrichtung der Bundeswehr, die ihre Arbeit "nach den Regeln und Standards der allgemeinen Geschichtswissenschaft" aufbaut. Aber dem ist nicht so.

'Todesanzeige' der Möldersvereinigung

'Todesanzeige' der Möldersvereinigung in der F.A.Z. am 18. März 2005

Aufgrund der zähen Haltung der Bundeswehrführung wurde im Sommer schließlich auf Beschluss des Verteidigungsministeriums unter Peter Struck die Umbennung der Werner Mölders Kaserne in Visselhövede und das in Neuburg an der Donau stationierte Jagdgeschwader 74 Mölders verordnet, was wiederum zu starken Protesten innerhalb rechter Kreise der Bundeswehr und bei den Möldersfanatikern führte. Allen voran der erste Kommandant des Zerstörers D 186 "Mölders", Vizeadmiral a. D. Günter Fromm, die Mölders-Vereinigung und andere rechtsgerichtete Gruppierungen und Organisationen.

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12. Meine persönliche "Frag"-Würdigung von Mölders

Was Mölders für ein Mensch war, lässt sich für mich aus heutiger Sicht schwer beurteilen, immerhin ist er schon seit 1941 tot und hatte somit auch nicht die Möglichkeit sich nach dem Krieg zu seiner Rolle im Nationalsozialismus zu äussern. Aber ein paar Fragen hätte ich schon an ihn. Mölders ist als Halbwaise ohne Vater aufgewachsen und das Militär war, psychologisch betrachtet, bestimmt auch eine Art Familienersatz. Junge Menschen brauchen Vorbilder. Mölders hatte sie für sich in Personen wie Manfred von Richthofen und anderen Fliegern aus dem 1. Weltkrieg gefunden und hat später für seine Soldaten eine ähnliche Vorbildfunktion erfüllt.

Den Schilderungen ehemaliger Weggefährten vom tollkühnen Fliegerass und fairen Kameraden steht allerdings die Ausschlachtung genau dieser Eigenschaften durch die Propaganda der Nazis entgegen, denen sich Mölders ohne Einschränkungen hingegeben hat. Mehr noch: Mölders ist von niemandem gezwungen worden, Soldat zu werden. Es war seine freiwillige Entscheidung als Jagdflieger Karriere zu machen, Menschen zu töten und das Naziregime durch seinen Einsatz weiter nach vorne zu tragen. Bis zum zweiten Weltkrieg war Mölders Engagement in Hitlers Truppen bereits zweimal eklatantes Verstoßen gegen bestehendes Völkerrecht. Einmal bei der Besetzung des Rheinlandes und ein weiteres mal bei der Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg.

Mölders war ein Soldat, der bedingungslos gehorchte und sich unreflektiert und geschmeidig in die Strukturen des Nazisystems eingliederte. Ihn aufgrund seines christlichen Glaubens zu einer Art Widerstandskämpfer zu machen ist fast schon pervers.

Mölders war kein Stauffenberg, von Galen oder Niemöller, sondern ein Soldat der bis zu seinem Tod artig seine Pflicht erfüllte. In einem totalitären und menschenverachtendem System, dass die Demokratie abschaffen und Europa für einige Jahre unter das Joch eines fanatischen Diktators stellen sollte, hat Werner Mölders wunderbar funktioniert.

Das so ein Mensch mit Namensgebungen geehrt wird um so als Vorbild für Soldaten der Bundeswehr zu dienen, die ja die Ideale unseres Demokratie schützen soll, ist mir ein Rätsel und lässt vermuten, dass sich in manchen Köpfen jenseits der Kasernenmauern diverser BW-Einrichtungen eine Menge rechtsradikaler und naziverherrlichender Schrott befindet, den man nicht aus den Augen verlieren darf. Deshalb sollte die Diskussion um die Namensgebung durchaus auch dazu genutzt werden, genauer hinzuschauen und bei Bedarf auszumisten.

13. Quellen zum Thema Mölders und Guernica:

Gerhard Piper: "Guernica - Geschichte eines Luftangriffs"
Jörg Diel :"Sie haben die Stadt eingeäschert" - Hitlers Bomben auf Guernica, Spiegel online.

Berichte und Biographien über Mölders gibt es natürlich auch bei Wikipedia und Co., allerdings sind diese teilweise braun eingefärbt, was sich dadurch erklären lässt, dass es sich bei den Verfassern um eingefleischte Möldersfans handelt. Wenn man zum Beispiel die Herkunft von Zitaten verfolgt, landet man nicht selten auf Internetseiten, die aus Abenteuerromanen über Mölders abgeschrieben sind, also alles andere als objektiv oder gar Kritisch. Empfehlenswerte Fernsehberichte der ARD Sendung "Kontraste" über Mölders und die Debatte um die Bennungen von Bundeswehreinrichtungen mit dem Namen Mölders, abzurufen auf der Internetseite des "rbb":

1. Falsche Vorbilder, Die Bundeswehr ehrt Wehrmacht-Oberst Mölders.
2. Falsche Vorbilder, Die Bundeswehr und der Wehrmacht-Oberst Mölders.
3. Erdrückende Beweise, warum das Verteidigungsministerium nach einem Kontraste-Beitrag das 'JG 74 Mölders' umbenennt.
4. Merkwürdige Traditionspflege: Nazi-Held als Vorbild für die Bundeswehr

Die hier angeführten Fernsehbeiträge des "rbb" werden von Seiten der Möldersfans, darunter auch namhafte Bundeswehrangehörige, als rot-grüne Geschichtsfälschung attackiert. An manchen Stellen sind die Berichte etwas oberflächlich, vermitteln im großen und ganzen allerdings einen recht interessanten Einblick in die aktuelle Diskussion. Empfehlenswert ist das Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamt über den Namen Mölders als Namenspatron von Bundeswehrkasernen.

Autor: Johannes Fischer


Andreas Jordan, September 2008

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