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Polizeibataillone 65 und 316 - Taten und Tatorte

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(Reserve) Polizeibataillon 65 (mot)

Das Polizeibataillon 65 wurde im September 1939 als Reserve-Polizeibataillon 65 (mot) in Recklinghausen aufgestellt. Es rekrutierte sich bis auf das aus aktiven Polizei-Offizieren und -Unterführern bestehende Stammpersonal im Wesentlichen aus Polizei-Reservisten aus dem Ruhrgebiet (Gelsenkirchen). Von 591 Batallionsangehörigen des Polizeibataillon 65 hatten 318 ihren Wohnsitz in Gelsenkirchen, die übrigen verteilten sich im wesentlichen auf Recklinghausen, Bottrop, Marl, Gladbeck, Datteln und Herten. Es bestand aus dem Bataillonsstab und vier Kompanien, von denen die 4. Kompanie als "schwere Kompanie" sich aus zwei MG-Zügen und einem Pak-Zug zusammensetzte. Zum Bataillonskommandeur wurde Major Walter Barkholt ernannt. (Barkholt war Berufspolizist, seinen Dienst verrichtete er in Friedenszeiten als Abschnittskommandeur d. Schutzpolizei Gelsenkirchen, Abschnittskommando III, Dienstsitz Ahstraße)

Einsatzorte des (Reserve) Polizeibataillons 65

September 1939Aufstellung (Heimatstandort Polizeiverwaltung Recklinghausen)
Anfang Juni 1940 bis Mitte Dezember 1940Niederlande (Zwolle und Kampen)
15. Dezember 1940 bis Mai 1941Rückkehr aus den Niederlanden: Unterbringung von Stab und 3. Kompanie in Recklinghausen, der 1. und 2. Kompanie in Buer
26. Mai 1941Verlegung nach Heilsberg in Ostpreußen
22. Juni 1941 bis Anfang Juni 1942Sowjetunion (Baltikum und Nordrussland)
Januar 1942 bis Mai 1942105 Polizisten sterben im "Cholmer Kessel"
Juni 1942 bis Mai 1943Polen ("Generalgouvernement" Stationierung zunächst in Brunowicze bei Krakau, ab etwa Januar/Februar 1942 im Raum Lublin: Stab und Kfz-Staffel lagen in Lublin, die drei Kompanien in den etwa 25-45 km von Lublin entfernten Orten Krasnik, Krasnystaw und Lubartow)
Juli 1942Umbenennung in I. Bataillon des Polizeiregiments 25
Mai 1943 bis Ende Februar 1944Dänemark (Kopenhagen)
Ende Februar 1944 bis Frühjahr 1945Jugoslawien (Bataillonsstab und Kfz-Staffel lagen in Cilli, die drei Kompanien waren auf Stützpunkte im Umkreis verteilt)
Frühjahr 1945Österreich (Raum Villach-Klagenfurt, wo die Mehrzahl der Bataillonsangehörigen in englische Kriegsgefangenschaft geriet und in ein Gefangenlager bei Aalen in Württemberg transportiert wurde; Entlassung der Gefangenen im Sommer 1945)

Tabelle aus: Martin Hölzl "Buer und Belzec" in Stefan Goch (Hg.), "Städtische Gesellschaft und Polizei", Essen 2005


Polizeibataillon 316

Heimatstandort: Recklinghausen (Standort teilw. auch Bottrop); Kdr. Wilhelm Ochse, Gustav Waldow, Heinrich Hoecke, Karl Behr, Kurt Gehrmann (SS-HStuf.)
Einsätze: 12.2.1941 Tabor/Böhmen u. Mähren, Budweis; Juni 1941 Radom/Polen.
22. Juni 1941 über Warschau mit der Einsatzgruppe B, im derzeit von SS-Sturmbannführer Dr. Otto Bradfisch geführten Einsatzkommando 8 (EK 8) nach Weißrussland, Bialystok, Slonim, Baranowicze, Sluzk, Bobruisk (Russland-Mitte); August - November 1941 Mogilew; Winter 1941/42 Raum Wjasma.
Mai 1942 Bottrop. Juli 1942 - November 1942 Slowenien, dann Frankreich; Juni 1943 Lublin/Polen, Stab Sandomircze, Juli 1943 - Juli 1944 Krasnik, Juli 1944 Fronteinsatz; zuletzt Fronteinsatz Ostpreußen. Insbesondere während des Einsatzes 1941 und 1943 Teilnahme an zahlreichen Massenerschießungen.
Regiment: Bis Juni 1941 Pol.Rgt. Böhmen; ab Juni 1941 Pol.Rgt. Mitte; 1942 Pol.Rgt. 4 sp. SS-Pol.Rgt. 4. Fp.Nr. 44173 Ermittlungsverfahren: ZStL 202 AR-Z 168/59, Dortmund 45 Js 2/61, abg. an StAw.Bo., jetzt StAMs, StAw BO, Az LG Bochum 16 (15) Ks 1/66; ursprünglich 16 Js 13/59 StAw.Bo.; Freisprüche und Verfahrenseinstellungen (JuNSV Nr. 678).

Das Polizeibataillon 316 war an fünf großen Mordaktionen beteiligt, die als Grundlage für die Anklage im Bochumer Prozess gegen zehn Bataillonsangehörige dienten:
1. Bialystok, Juli 1941: Mindestens 3.000 Menschen werden erschossen, wahrscheinlich am 12. Juli, die meisten Opfer waren Juden.
2. Baranowicze, Juli 1941: Mindestens 100 Menschen werden erschossen, wahrscheinlich südl. Baranowicze, evtl in Lachowicze, Hansewicze, Luniletz oder Tahanki.
3. Mogilew, Herbst 1941: 3.700 Menschen (Minimum) erschossen.
4. Bobruisk, Herbst 1941: 2.000 Menschen (Minimum) erschossen.
5. Cholm, 24.2.1944: Erschießung von mindestens 24 Menschen.

Quelle: Stefan Klemp, "Nicht ermittelt" Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz. Ein Handbuch

Einsatzorte des Polizeibataillons 316

Juni 1940 Aufstellung als Polizei-Ausbildungsbataillon Recklinghausen, mit Erlaß vom 10.12.1940 in Polizeibataillon 316 umbenannt (Heimatstandort Polizeiverwaltung Recklinghausen)
18. Februar 1941 bis Anfang Juni 1941Tschechoslowakei ("Protektorat Böhmen und Mähren" Stationierung in Tabor)
8. Juni 1941 bis 5. Juli 1941Polen ("Generalgouvernement" Aufenthalt u.a. in Warschau und etappenweise Verlegung an die polnisch-sowjetische Grenze)
6. Juli 1941 bis 17. Mai 1942Sowjetunion (Mittelabschnitt der Ostfront/Marschweg von Bialystok bis Wjasma)
23. Mai 1942 bis 5. Juli 1942Rückkehr aus der Sowjetunion und Unterbringung in Bottrop, Buer und Gelsenkirchen
Juli 1942Umbenennung in I. Bataillon des Polizeiregiments 4
8. Juli 1942 bis 17. November 1942Jugoslawien ("Oberkrain und Untersteiermark" Stationierung in Krainburg)
18. November 1942 bis 3. Juni 1943Frankreich (Aufenthalte u.a. in Mantes, Limoges, St. Nazaire, Marseille)
Anfang Juni 1943 bis Mitte Juli 1944Polen ("Generalgouvernement"/ Stationierung im Raum Lublin u.a. in Krasnik, Anapol, Poniatowa und Cholm)
Juli 1944 bis Frühjahr 1945Ostpreußen (Fronteinsätze und Rückzug mit der Kampfgruppe "Hannibal" im polnisch-ostpreußischen Raum; ein Teil der Überlebenden gelangte über die Ostsee in den Westen, ein anderer Teil geriet in russische Gefangenschaft)

Tabelle aus: Martin Hölzl, "Buer und Belzec" in Stefan Goch (Hg.), "Städtische Gesellschaft und Polizei", Essen 2005

Polizeibataillon 65

Nach kriegsmäßiger Ausrüstung des Bataillons und Grundausbildung der zum Bataillon eingezogenen Reservisten wurde es Mitte Mai 1940 in den Niederlanden, und zwar in Zwolle und in Kampen, zu Bewachungsaufgaben eingesetzt. Gleichzeitig wurde während dieses Einsatzes die Ausbildung der Polizeireservisten fortgeführt. Während des Einsatzes in den Niederlanden wurde die 4. Schwere Kompanie aus dem Bataillon herausgelöst. Der Pak-Zug wurde aus dem Verband des Bataillons herausgezogen, die schweren MG-Züge auf die drei anderen Kompanien verteilt.

Polizei-Bataillon 65

Mitte 1940 wurde das Bataillon nach Deutschland zurückverlegt und in den Städten Gelsenkirchen-Buer, Bottrop und Recklinghausen für den weiteren Kriegseinsatz neu formiert. Insbesondere wurden die älteren aktiven Polizei-Unterführer und -Reservisten durch Polizei-Angehörige jüngerer Jahrgänge ersetzt. Am 26. Mai 1941 wurde das Bataillon nach Heilsberg/Ostpreußen verlegt. Von hier rückte es am 2 2. Juni 1941 im Verbände der 285. Sicherungsdivision über Tilsit hinter der kämpfenden Truppe im Nordabschnitt der Ostfront in die Sowjetunion ein mit dem Einsatzbefehl, das rückwärtige Heeresgebiet zu sichern und von versprengten sowjetischen Einheiten und Soldaten zu "säubern".

Nach Einnahme der Stadt Kowno (Kaunas) bezogen der Bataillonsstab, die 1. und 2. Kompanie des Bataillons etwa am 26. Juni 1941 in Kowno, die 3. Kompanie in Schaulen (Siauliai) Quartier. In Kowno sahen Angehörige des Bataillons Massenerschießungen jüdischer Männer, Frauen und Kinder in der am Stadtrand liegenden Zitadelle, die von litauischer "Heimwehr" durchgeführt wurden. Bei dem Einsatz im Baltikum sollen auch Teile des Bataillons und einzelne Bataillonsangehörige an Massenexekutionen und Einzelerschießungen von Juden, anderen sowjetischen Zivilpersonen und sowjetischen Kriegsgefangenen unmittelbar beteiligt gewesen sein.

Massenerschießungen jüdischer Männer, Frauen und Kinder

(...) Mancherlei Kritik seitens der Zivilverwaltung bezog sich auf die Art und Weise der Morde, die andere Ziele deutscher Besatzungspolitik wie zum Beispiel das Vermeiden von Unruhe in der auszubeutenden Bevölkerung konterkarierten. Die Auseinandersetzungen drehten sich jedoch in erster Linie um die Frage der jüdischen Fach- und Hilfsarbeiter. Das heißt, um die Frage der Ermordung der jüdischen Frauen und Kinder gab es keine Konflikte mit den Kommandos des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, denn darin war man sich einig: die Morde an Kommunisten und der jüdischen Bevölkerung wurden zwischen der politischen Verwaltung, dem Arbeitsamt, den Wirtschaftsstellen der Wehrmacht und den SS-Einsatzkommandos diskutiert, häufig modifiziert und dann vereinbart.

Im folgenden möchte ich das Gemeinte an dem Beispiel des Geschehens in Šiauliai (dt.Schaulen) verdeutlichen. [*] In dieser Stadt im Nordwesten Litauens waren von den insgesamt 30.000 Einwohnern etwa 7-8.000 Juden. Nach der Besetzung der Stadt durch die Deutschen am 26. Juni 1941 wurden dort in den ersten Wochen 730 Männer verhaftet, darunter viele Juden. Im Laufe von sechs Wochen wurden 115 von ihnen nach wiederholten Befragungen als Facharbeiter wieder freigelassen und ca. 600 erschossen. Schon in den letzten Junitagen hatten in Šiauliai Vertreter des Wirtschaftsstabes Ost zusammen mit den Wirtschaftsfachleuten der Wehrmacht durchgesetzt, daß das Sonderkommando la und das Einsatzkommando 2 die jüdischen Facharbeiter zunächst von der Ermordung jüdischer Männer ausgenommen wurden, damit die dortigen Lederfabriken weiter produzieren konnten. Der Prozeß der Ghettoisierung, der in Šiauliai - wie auch in Vilnius im Unterschied zu Kaunas - mit Selektionen einherging, wurde präzise von einem ermittelnden Staatsanwalt beschrieben: Es war "der Auswahlgesichtspunkt maßgebend, daß die Juden zu verschonen seien, die für die vielfältige Industrie in Šiauliai und andere kriegerische Aufgaben noch gewisse Zeit (bis zur geplanten, aber nicht mehr verwirklichten Ablösung durch nichtjüdische Arbeitskräfte) benötigt wurden. In die Selektionen waren die inzwischen installierte Zivilverwaltung, besonders Arbeitsämter und die litauische Eigenverwaltung eingeschaltet. Die SS brauchte sich darum nicht im einzelnen zu kümmern".

Fast 5.000 Juden wurden ghettoisiert und 800 - 1.000 Juden in mehreren "Aktionen" erschossen, nachdem sie vorher durch eine Kommission - der zwei Angehörige des deutschen Arbeitsamtes angehörten - zu "unnützen" Juden erklärt worden waren. Die an den Morden in Šiauliai direkt beteiligten Einheiten waren vom Einsatzkommando 2 und litauischen Gehilfen, ein Zug des 11. Polizeireservebataillons, die dritte Kompanie des Polizeibataillons 65, Teile des Landesschützenbataillons 307, das die Kriegsgefangenen bewachte und auch Einheiten des Reichsarbeitsdienstes, die sich freiwillig gemeldet hatten. Das Einsatzkommando 3, das eigentlich für ganz Litauen zuständig sein sollte, wollte kurz darauf im September 1941 sämtliche Juden in Šiauliai ohne wirtschaftliche Rücksichten umbringen. Joachim Hamann, der Leiter eines berüchtigten Mordkommandos vom Einsatzkommando 3, beschimpfte die örtlichen Vertreter der Sicherheitspolizei vom Einsatzkommando 2, nannte den dortigen Zustand einen "Saustall", mußte jedoch vor Hans Gewecke, dem Gebietskommissar von Šiauliai, zurückstecken. Gewecke berichtete kurz darauf an den Generalkommissar Adrian von Renteln, daß von elf Landkreisen zehn schon nahezu "judenfrei" seien, in Šiauliai müßten jedoch von anfänglich ca. 6.000 Juden etwa 4.000 Juden übrig bleiben, "die als Spezialarbeiter gebraucht werden". Gewecke wies die Fabrikleitungen in Šiauliai an, im Laufe der Zeit alle jüdischen Facharbeiter durch litauische zu ersetzen. De facto allerdings stieg die Zahl der jüdischen Arbeiter z. B. in den Lederfabriken von Šiauliai von knapp 400 im Sommer 1941 auf 760 im Herbst 1943, die dann insgesamt 2.000 Arbeiter umfaßten.

[*] Die Rekonstruktion der Ereignisse beruht auf den Akten des Verfahrens der Staatsanwaltschaft Lübeck gegen den Gebietskommissar Hans Gewecke, die im Landesarchiv Schleswig archiviert sind, Abt. 352 Lübeck, Nr. 1662-1727.

Nach kurzem Aufenthalt in Kowno und Schaulen, wo den Einheiten des Bataillons Objektschutz- und Bewachungsaufgaben übertagen worden waren, wurde das Bataillon über Rositten (Rezekne) und Pleskau (Pskow) nach Luga in Marsch gesetzt. Hier erhielt es Befehl, das Winterquartier aufzubauen und zu beziehen. Auch in Pleskau und Luga sollen Angehörige des Bataillons an Massenexekutionen von Juden teilgenommen und Erschießungen einzelner Juden, anderer sowjetischer Zivilpersonen und Kriegsgefangenen durchgeführt haben.

Polizeibataillon 65 (Zusatzbezeichnung "Cholm")

Von Luga aus kamen die Kampf-Kompanien des Bataillons unter Führung des stellvertretenden Bataillonskommandeurs, Hauptmann Walter Grundmann, Mitte Januar 1942 im Verbände der Kampfgruppe "Scherer" zum Fronteinsatz bei den Abwehrkämpfen im Räume Cholm (Nordrußland), während die nicht zur kämpfenden Truppe gehörigen Teile des Bataillons, nämlich Bataillonsstab, Tross und Kfz-Staffel, in Luga verblieben. Grundmann war sonst Chef der 1. Kompanie. Bei diesem bis Anfang Mai 1942 andauernden Fronteinsatz war das Bataillon zusammen mit Einheiten der Wehrmacht zeitweise von sowjetischen Verbänden im Räume Cholm eingeschlossen und erlitt schwere Verluste.

Verleihung des 'Cholm-Schild' an Angehörige des Polizeibataillons 65

Abb.: Der Chef der Ordnungspolizei, SS-Obergruppenführer und Generaloberst der Polizei Karl Daluege (1897-1946), zeichnete die Angehörigen des (Reserve) Polizeibataillons 65 nach ihrem Kampfeinsatz bei Cholm 1942 mit dem so genannten "Cholm-Schild" aus. Das (Reserve)-Polizeibataillon 65 durfte jetzt die Zusatzbezeichnung "Cholm" führen. Schöpfer dieser 'Auszeichnung' soll laut Gelsenkirchener Stadtchronik 1944 der Gelsenkirchener Gebrauchsgrafiker Bruno Schlimmer (Rottwachmeister d. Schutzpolizei) gewesen sein.

Noch während die Kampf-Kompanien des Bataillons in Cholm eingeschlossen waren, wurde der damalige Major der Schutzpolizei Joachim Kleine anstelle des nach seinem Urlaub nicht wieder zum Bataillon zurückgekehrten Majors Barkholt zum Kommandeur ernannt. Er übernahm zunächst die Führung der in Luga verbliebenen Teile des Bataillons. Erst als am 5. Mai 1942 ein Zugang zu den eingeschlossenen Einheiten und Verbänden freigekämpft worden war, konnte er auch die Führung der restlichen dort noch im Einsatz stehenden, durch die schweren Verluste stark dezimierten drei Kampf-Kompanien übernehmen.

Nach deren Rückführung nach Luga wurde das Bataillon etwa Anfang Juni 1942 zur Auffrischung von Luga nach Brunowice bei Krakau verlegt, hier neu gegliedert und mit aus dem Reiche herangeführten Ersatzkräften wieder auf Kriegsstärke aufgefüllt. Während die Ersatzkräfte in Brunowice ausgebildet wurden, erhielten die am Cholm-Einsatz beteiligt gewesenen Bataillonsangehörigen nach und nach Heimaturlaub und wurden gruppenweise zur Erholung zu Ski-Lehrgängen nach Zakopane geschickt. In Brunowice wurde das Bataillon für den verlustreichen Fronteinsatz in Cholm dadurch ausgezeichnet, dass es fortan die Bezeichnung Polizeibataillon 65 "Cholm" führen durfte und seinen an dem Cholm-Einsatz beteiligt gewesenen Angehörigen das Kampfabzeichen Cholm-Schild verliehen wurde.

Kurze Zeit später wurde das Bataillon dem Stab des Polizeiregiments 25 unterstellt und trug nunmehr die Bezeichnung "I. Bataillon Cholm/Polizeiregiment 25". Während der Stationierung in Brunowice in der Zeit von etwa Anfang Juni 1942 bis etwa Januar/Februar 1943 wurden Teile des Bataillons, insbesondere Teile der vor der 2. Kompanie wieder auf kriegsmäßige Stärke gebracht. Die 1. und 3. Kompanie wurden nicht nur zu Bewachungs- und Objektschutzmaßnahmen, sondern auch zur Durchführung von Festnahmen, "Absperrungen", Transportbegleitungen und Exekutionen bei Aktionen gegen Juden im Räume Krakau sowie zu Geiselerschießungen herangezogen.

Nach abgeschlossener Auffüllung wurde das Bataillon etwa im Januar/Februar 1943 in den Raum Lublin verlegt. Während Stab und Kfz-Staffel in Lublin selbst Quartier bezogen, lagen die drei Kompanien in den etwa 25 bis 45 km von Lublin entfernten Orten Krasnik, Krasnystaw und Lubartow. Von diesen Standorten aus kamen Teile der Kompanien unter anderem zur Durchsuchung von Waldgebieten zwecks Aufspürung dort versteckter Juden und Partisanen zum Einsatz.

Polizei-Bataillon 65 in Dänemark

Im Mai 1943 wurde das Bataillon nach Kopenhagen verlegt und diente hier dem Deutschen Reichsbevollmächtigten in Dänemark als Verfügungs-Bataillon, insbesondere für Objektschutz- und Bewachungsaufgaben. Daneben wurden die Kompanien im Herbst 1943 bei einer gegen die in Kopenhagen noch lebenden dänischen Juden gerichteten Durchsuchungs- und Festnahme-Aktion, bei Küstenstreifen zur Verhinderung der Flucht von Juden nach Schweden, bei der Bewachung eines Internierungslagers in Horseröd bei Kopenhagen und zur Begleitung von Transporten dänischer Juden und anderer dänischer Zivilpersonen nach Theresienstadt und Oranienburg einsetzt.

Polizei-Bataillon 65 in Jugoslawien

Hauptmann Wilhelm Schmitt führte 1944/45 eine Kompanie des Polizei-Bataillon 65 in Jugoslawien

Abb.: Hauptmann Wilhelm Schmitt (links) führte 1944/45 eine Kompanie des Reserve-Polizeibataillons 65 in Jugoslawien. Schmitt veranlasste u.a. im Mai 1944 bei Cilli/ Celje die Erschießung von 15 Männern als Geiseln. Nach dem Krieg war er bis zu seinem Tod in leitender Funktion bei der Polizei Gelsenkirchen tätig.

Ende Februar 1944 wurde das Bataillon 65 in Dänemark abgelöst und nach Jugoslawien in Marsch gesetzt. Während der Bataillonsstab nebst Kfz-Staffel in Cilly/Celje Quartier bezog, wurden die drei Kompanien auf in Oberburg, Franz und Ettlingen errichtete Stützpunkte verteilt. Von hier aus wurden die Kampfeinheiten des Bataillons zur Partisanenbekämpfung eingesetzt und erlitten in zahlreichen Feuergefechten mit Partisanen erhebliche Verluste. Teile der 2. und 3. Kompanie waren hier auch an der Erschießung von Geiseln beteiligt. Gegen Ende November 1944 war das Bataillon mit seinen wesentlichen Teilen in Stein/Untersteiermark von jugoslawischen Partisanenverbänden eingeschlossen. Hier wurde der damalige Major der Schupo Joachim Kleine als Kommandeur durch den damaligen Major der Gendarmerie Dr. Otto Dippelhofer abgelöst, unter dessen Führung sich das Bataillon aus der Einschließung freikämpfen konnte. Bereits nach etwa 14 Tagen wurde Dr. Dippelhofer zum Führer einer aus verschiedenen Heeres- und Polizeieinheiten zusammengestellten Kampfgruppe ernannt. An seiner Stelle wurde die Führung des Bataillons vom Hauptmann der Schutzpolizei Kaspar (nicht ermittelt) übernommen. Bei den Rückzugsbewegungen im Frühjahr 1945 gelangte das Bataillon gegen Kriegsende in den Raum Villach-Klagenfurt. Hier geriet die Mehrzahl der überlebenden Angehörigen des Bataillons in englische Kriegsgefangenschaft und wurde in ein Gefangenenlager bei Aalen in Württemberg transportiert. Aus diesem Lager wurden die Gefangenen im Sommer 1945 entlassen.

Polizei-Bataillon 65: Übersicht Einsatzgebiete, Taten und Tatorte:

Beim Verfahren gegen das Polizeibataillon 65 fällt die unglaublich hohe Zahl an Taten auf, welche die Staatsanwaltschaft Dortmund zusammengetragen hatte.

A.: Taten in der Sowjetunion

    1. Tötung von etwa 3.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern, Zitadelle Kowno, Ende Juni/Anfang Juli 1941
    2. Erschießung von etwa fünf jüdischen Männern im Unterkunftsbereich der 2. Kompanie in Kowno Ende Juni/Anfang Juli 1941
    3. Erschießung von etwa 30 sowjetischen männlichen Zivilpersonen bei Schaulen Ende Juni/Anfang Juli 1941
    4. Erschießung von etwa 3.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern und anderen sowjetischen Zivilpersonen bei Schaulen Ende Juni/Anfang Juli 1941
    5. Erschießung von neun sowjetischen, der Zusammenarbeit mit Partisanen verdächtigen Frauen und drei sowjetischen Partisanen auf dem Vormarsch des Bataillons im Baltikum im Sommer 1941
    6. Erschießung eines verletzten sowjetischen Kriegsgefangenen auf dem Vormarsch des Bataillons im Baltikum im Sommer 1941
    7. Erschießung zahlreicher Juden auf dem Vormarsch des Bataillons im Baltikum im Juni und im Juli 1941
    8. Erschießung zahlreicher jüdischer Männer, Frauen und Kinder bei Rositten im Juli 1941
    9. Erschießung mehrerer tausend jüdischer Männer, Frauen und Kinder bei Pleskau im Juli 1941
    10. Tötung eines sowjetischen Kriegsgefangenen in Iwanowskaja im Herbst 1941
    11. Erschießung eines alten sowjetischen Ehepaares in Iwanowskaja im Herbst 1941
    12. Erschießung mehrerer sowjetischer Kriegsgefangener in Luga in der Zeit von September 1941 bis Januar 1942
    13. Erschießung eines jüdischen sowjetischen Kriegsgefangenen in Luga im Spätherbst 1941
    14. Erschießung eines sowjetischen Kriegsgefangenen in Pljussa bei Luga im Spätherbst 1941
    15. Erschießung einer partisanenverdächtigen sowjetischen Frau und eines partisanenverdächtigen Mannes in Nikolajewo bei Luga im Spätherbst 1941
    16. Erschießung eines jungen sowjetischen Juden in Luga im Spätherbst 1941
    17. Erschießung zahlreicher Juden bei Luga im Oktober 1941
    18. Erschießung von zwei oder drei sowjetischen Staatsangehörigen, wahrscheinlich Kriegsgefangenen in einem Wald bei Luga im Winter 1941/42
    19. Erhängung eines sowjetischen Mädchens in Cholm im Frühjahr 1942

B.: Taten im Generalgouvernement

    1. Erschießung von etwa 20 polnischen Zivilgefangenen aus dem SS- und Polizeigefängnis Montelupi in Krakau in einem Wald bei Krakau im Herbst 1942
    2. Erschießung von etwa sechs polnischen Polizisten bei Krakau im Herbst 1942
    3. Erschießung von etwa 30 polnischen männlichen Zivilgefangenen aus dem SS- und Polizeigefängnis Montelupi in Krakau in einem Wald bei Krakau im Herbst 1942
    4. Erschießung von etwa 20 polnischen männlichen Zivilgefangenen
    5. Ebenso von etwa 30 jüdischen Männern
    6. Erschießung von etwa 800 jüdischen Männern, Frauen und Kindern eines Ghettos in einem Wald bei Kraukau im Herbst 1942
    7. Erschießung zahlreicher jüdischer Männer, Frauen und Kinder, u.a. der Patienten eines jüdischen Krankenhauses, aus dem Raum Krakau in Waldgebieten bei Krakau im Herbst 1942
    8. Absperrung und Durchsuchung eines Ghettos und Erschießung von 40 bis 50 jüdischen Männern, Frauen und Kindern in einem Waldgebiet bei Kielce im Herbst 1942
    9. Festnahme zahlreicher jüdischer Männer, Frauen und Kinder aus Krakau und Umgebung und Transport der Festgenommenen sowie von jüdischen Bewohnern des Ghettos in Krakau in die Vernichtungslager Belzec und Auschwitz im Sommer/Herbst 1942
    10. Begleitung von Transporten zahlreicher jüdischer Männer, Frauen und Kinder von Krakau in die Vernichtungslager Auschwitz und Belzec im Herbst/Winter 1942/43
    11. Bewachung von etwa 1.000 wahrscheinlich jüdischen Männern, Frauen und Kindern in der Nähe einer Ortschaft bei Krakau etwa im Herbst 1942
    12. Bewachung Abtransport von etwa 1.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus dem Raum Miechow, 35 Kilometer nördlich von Krakau, im Herbst 1942
    13. Durchsuchung von Waldgebieten bei Krakau nach Partisanen und Juden und Festnahme von insgesamt etwa 30 meist jüdischen Frauen und Kindern im Herbst 1942
    14. Erschießung der männlichen Einwohner eines Dorfes bei Krakau etwa im Herbst 1942
    15. Erschießung von etwa 20 weiblichen Angehörigen eines jüdischen Arbeitskommandos aus dem Ghetto in Krakau im Herbst 1942 bei Krakau
    16. Erschießung von zwölf jüdischen Männern aus dem Ghetto in Krakau am Rande des Ghettos im Herbst 1942
    17. Erschießung von etwa 800 jüdischen Männern, Frauen und Kindern in einem alten Festungsgelände bei Krakau im Herbst 1942
    18. Begleitung und Bewachung von Eisenbahntransporten mehrerer jüdischer Familien von Krakau nach Österreich im Herbst 1942
    19. Durchsuchung von Waldgebieten bei Lublin nach Juden und Partisanen und Erschießung von dabei festgenommenen vier bis fünf männlichen Zivilpersonen im Frühjahr 1943
    20. Durchsuchung von Waldgebieten bei Lublin nach Juden und Partisanen und Erschießung von dabei festgenommenen 30 bis 40 jüdischen Frauen und Kindern im Frühjahr 1943
    21. Durchsuchung von Waldgebieten bei Lublin nach Juden und Partisanen im Frühjahr 1943
    22. Festnahme und Abtransport der männlichen Einwohner eines Dorfes bei Lublin im Frühjahr 1943
    23. Tötung zahlreicher jüdischer Männer, Frauen und Kinder im Raum Lublin im Frühjahr 1943

C.: Taten in Dänemark

    1. Festnahme zahlreicher dänischer jüdischer Männer, Frauen und Kinder in Kopenhagen im Herbst 1943 und Begleitung von Transporten eines Teiles der Festgenommenen nach Theresienstadt.
    2. Bewachung eines Internierungslagers in Horseröd bei Kopenhagen und Durchführung von Streifen an der Ostseeküste zur Verhinderung der Flucht von dänischen Juden nach Schweden im Herbst 1943 und im Winter 1943/44
    3. Begleitung von Tranporten dänischer Juden und anderer dänischer Zivilpersonen aus dem Internierungslager Horseröd nach Oranienburg im Winter 1943/44

D. Taten in Jugoslawien

    1. Erschießung mehrerer jugoslawischer Männer bei Cilly im April 1944
    2. Erschießung von acht bis zehn jugoslawischen Männern bei Ettlingen im April 1944
    3. Erschießung von etwa 15 jugoslawischen Männern in Ettlingen im Mai 1944
    4. Erschießung eines etwa 18-jährigen Jugoslawen bei Ettlingen im Sommer 1944

(Reserve) Polizeibataillon 65: "Kleinere Mordaktionen"

Die Bilanz der Auswertung der Abschlussverfügung lautet: Die Staatsanwaltschaft Dortmund ermittelte gegen Angehörige des Polizeibataillons 65 wegen des Verdachts der Beteiligung an 50 bekannt gewordenen Straftaten. Dabei handelte es sich zum Großteil um kleinere Mordaktionen, die allerdings eine Menge über die bei einem Teil der Polizisten vorherrschende Geisteshaltung verraten.

So soll der Führer der 3. Kompanie, Walter Schmidt, in Dänemark die Kantine in angetrunkenem Zustand mit stark verschmutzter Hose betreten haben. Nach Ansicht des Zeugen habe es sich bei den Flecken um Menstruationsblut gehandelt. Ein Zugwachtmeister habe den Kompanieführer darauf aufmerksam gemacht, worauf sich ein handgreiflicher Streit entwickelte. In Dänemark bewachte das Polizeibataillon 65 das Internierungslager für Juden in Horseröd. Später in Jugoslawien habe der Kompanieführer seinen damaligen Kontrahenten auf ein "Himmelfahrtskommando" geschickt, bei dem dieser den Tod fand. Der Polizist glaubte, dass es sich um einen Racheakt handelte.

Angehörige des Polizeibataillons 65 haben sich häufig auf besonders brutale Weise an Menschen vergangen. Im Spätherbst 1941 erschossen Angehörige der 2. Kompanie einen jungen sowjetischen Juden in Luga, nachdem sie ihn vorher gequält hatten. "Im Spätherbst 1941 wurde ein junger Mann in die Unterkunft der 2. Kompanie gebracht, der von Unterführern nach Feststellung der Beschneidung als Jude erkannt worden war." Dieser Jude sei vom damaligen Polizeihauptwachtmeister und späteren Polizeimeister Hermann T. und den damaligen Zugwachtmeistern Peter B. und Josef E. misshandelt und gezwungen worden sein, mit einem in den Unterkünften der 2. Kompanie vorgefundenen ausgestopften Bären zu tanzen. Dazu musste er sich das Bärenfell überziehen. Beim Tanzen soll auf den jungen Mann geschossen worden sein. Schließlich wurde er angeblich in einen Holzverschlag gesperrt und darin weiter gequält. Der Gefangene habe vergeblich versucht, sich mit einer alten Sense die Pulsadern zu öffnen. Daraufhin sei der Gefangene erschossen worden.

(Reserve) Polizeibataillon 65: "Größere Mordaktionen"

Beschreibungen von größeren Mordaktionen dienen in diesem Fall ebenfalls dazu, deren Charakter zu verdeutlichen. Dazu äußerte sich August F. von der 1. Kompanie. Während des Einsatzes in Krakau von Juli bis Dezember 1942 nahmen die Kompanieangehörigen wöchentlich zwei bis drei Mal an Erschießungen ("Sondereinsätzen") teil. Die Schützen seien immer dieselben gewesen. Er selbst sei einmal abkommandiert worden, nachdem er geäußert hatte, sie hätten den Krieg verloren. "In Lublin erzählte mir dann der inzwischen gefallene Alfons S., dass sie fast vier Wochen lang nichts anderes getan hätten, als Menschen getötet." In Lublin seien Menschen "waggonweise" von Polizisten des Bataillons 65 getötet worden. Die Menschen hätten sich vor der Erschießung nackt ausziehen müssen, und man hätte bei den Frauen, die sich nicht schnell genug ausgezogen hätten, die Kleider mit dem Bajonett vom Hals an nach unten aufgeschlitzt. Dabei sei es vorgekommen, dass bei Frauen auch die Körper verletzt wurden. Alfons S. sprach auch davon, dass bei beleibteren Frauen die Därme hervorgekommen seien. Zeuge August F. war der Auffassung, dass "keiner gegen seinen Willen an Erschießungen teilnehmen musste", zu "weiche" Kollegen seien dazu nicht eingeteilt worden.

Ein Reservepolizist, der während einer Exekution ein Kind erschießen sollte, habe seinen Karabiner weggeworfen, als das Kind am Grubenrand sagte: "Onkel, ich habe Dir doch nichts getan."

Zeuge Josef D. sagte aus:

"Unter Führung von Leutnant Roland Brehm, Führer des 2. Zuges in der 1. Kompanie, der heute noch Offizier bei der Polizei Gelsenkirchen ist, fuhren wir zu einem jüdischen Krankenhaus. (...) Ich kam u.a. in ein Krankenzimmer und hier sagte mir der Arzt, es handele sich um eine frisch operierte (Blinddarm) Patientin und diese wäre nicht transportfähig. Ich antwortete ihm, dass wir aber alle Insassen abzuliefern hätten bzw. die Zahl, die auf dem Schein stand. Und wenn sie nicht mitkönne, so müsse er oder ein paar andere Ärzte mitkommen. Mit diesen Menschen, genau 46 an der Zahl, fuhren wir zu einem uns bekannten Platz im Wald.

Vorweg möchte ich noch eine traurige Geschichte zu Protokoll geben, die sich im Krankenhaus zutrug. U.a. hatten wir eine alte Krankenschwester mit zu verladen. Diese zeigte mir ein EK I aus dem I. Weltkrieg und sagte mir, dass sie im l. Krieg Krankenschwester war. Außerdem bot sie mir Geld und Schmuck an und ich sollte ihr das Leben retten. Ich konnte es doch nicht aus der damaligen Situation heraus. Ich nahm zwar das Geld und den Schmuck an mich und gab beides den mit anwesenden SS-Männern.

(...) Die frisch operierte Frau (...) durfte bei der Erschießung ihr Nachthemd anbehalten. Sie wurde an die Grube getragen. Ich selbst wurde durch B. dazu bestimmt, als Schütze in der Grube zu fungieren. Zuvor musste ich nämlich, ich will jetzt hier die volle Wahrheit sagen, mit als Schütze an der Grube fungieren. (...) Das Kommando war erst zur Grube gefahren. Dort war Leutnant B. federführend und SS. Es lag schon eine Vielzahl nackter Leichen in der Grube. Eine Vielzahl von Opfern lief noch entkleidet an der Grube herum. Die Toten mussten vorher noch mit Kalk beschüttet werden. Ich wurde zum Exekutionskommando eingeteilt. Geschossen wurde mit Karabinern. Feuerkommando wurde nicht erteilt. Es wurde wahllos auf die an der Grube knienden Opfer geschossen.

Da wir mit den Karabinern auf eine so kurze Entfernung schössen, waren wir, und so auch ich, mit Blut bespritzt und auch mit Teilen aus dem Gehirn, da wir meist auf den Kopf zielten. Es gab reichlich Schnaps und Zigaretten und gute Verpflegung. Man machte uns praktisch betrunken, damit wir dieses grausige Geschäft überhaupt durchführen konnten. Exekutiert worden ist den ganzen Tag über. (...) An der Grube spielten sich grauenhafte Szenen ab. Manche der Opfer sprangen gleich so in die Grube. Die Menschen schrieen auf die grauenhafteste Weise und so blutbespritzt wie ich war und außerdem angetrunken, konnte ich ganz einfach nicht mehr mitmachen. Ich muss, wenn ich mich heute noch erinnere, geheult haben wie ein Schlosshund. Auf Grund dieser Tatsache hat mich dann B. mit dem schon vorher erwähnten Kommando ins Krankenhaus geschickt."

Ein Zeuge berichtete, dass ein Polizeibeamter einen kriegsgefangenen Russen per Genickschuss tötete, weil dieser "unerlaubt" ein Stück Brot aus einem Korb entwendet hatte. Der Abschlussvermerk benennt eine weitere Gräueltat:

Erhängung eines sowjetischen Mädchens in Cholm

Während des Einsatzes des Bataillons im Raum Cholm von Januar bis Mai 1942 befand sich der Bataillonsgefechtsstand im Keller des "Roten Hauses" in Cholm. Dort wurde ein etwa 18jähriges Mädchen festgehalten. Bataillonskommandeur Walter Grundmann ließ eines Tages eine "Gerichtsverhandlung" durchführen, weil das Mädchen gesagt habe: "Viele deutsche Mütter werden weinen." Laut Abschlussvermerk habe "Grundmann das Mädchen auf einen Stuhl gestellt, es geschlagen und ihm die Unterwäsche heruntergezogen". Danach fasste er dem Mädchen an das Geschlechtsteil und machte dabei die für die anwesenden Bataillonsangehörigen bestimmte Bemerkung, dass Spioninnen dort oft Nachrichten zu verbergen pflegten. Er befahl den Anwesenden, ihre Stahlhelme aufzusetzen und verkündete das Urteil: "Im Namen des Führers verurteile ich Dich zum Tode durch den Strang." Anschließend gab er dem zufällig anwesenden, sich zunächst weigernden Bernhard R. den Befehl, das Mädchen im Türrahmen des Kellers zu erhängen. Erst nach energischer Wiederholung des Befehls habe R. den Befehl ausgeführt. Weil er sich zu ungeschickt anstellte und die Erhängungsprozedur nicht sofort zum Tod des Mädchens führte, habe sich Walter Grundmann an die Beine des Mädchens gehängt und so dessen Tod herbeigeführt.

Opfer des Polizeibataillons 65

Eine sichere Feststellung über die Zahl der Opfer des Polizeibataillons 65 ist kaum möglich. Aus den Akten geht hervor, dass die Einheit an der Ermordung von Tausenden von Menschen in Europa beteiligt war. Auch hier ist die Zahl der Toten nicht ausschlaggebend. Eine deutliche Sprache spricht eher die Vorgehensweise bei den Ermordungen. Eine äußerst vorsichtige Schätzung käme auf eine Mindestzahl von 5.000 Menschen, die unter direkter Beteiligung von Angehörigen des Polizeibataillons 65 im Exekutionskommando erschossen wurden. Entscheidendes Problem bei einer Bilanzierung ist die Tatsache, dass bei den untersuchten Fällen oft keine exakte Zahlenangaben vorhanden waren. Oft heißt es nur, dass Tausende oder zahlreiche Menschen erschossen wurden, ohne dass eine exakte Zahlenangabe erfolgt. Wir können daher davon ausgehen, dass die Zahl der Opfer des Polizeibataillons 65 weit über der oben genannten Zahl von 5.000 liegt. Zu den Aufgaben des Bataillons zählte beispielsweise auch der Transport von Tausenden von Juden in Konzentrationslager. Entscheidender ist, was geschah und wie gemordet wurde.

Bemerkenswert an diesem Verfahren ist, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund "Nachvernehmungen" von zahlreichen Bataillonsangehörigen veranlasste. Alle nachvernommenen ehemaligen Bataillonsangehörigen sagten in beinahe exakt gleichem Wortlaut aus, dass sie vor den Aktionen nicht wussten, um was es ging. Und vor allem betonten sie, dass eine Verweigerung nicht möglich war, weil sie mit dem Tode bedroht würden. Das Lesen der Protokolle dieser Nachvernehmungen durch einen Beamten des LKA NRW wirft die Frage auf, ob diese dem Zweck dienten, eine Handhabe zur Einstellung des Verfahrens zu bekommen.

Übereinstimmungen rein zufällig?

Beispiele für die auffälligen Übereinstimmungen in vielen der durchgeführten Vernehmungen:

Emil J.: "Wie sollte ich als Polizeireservist mich diesem Befehl entziehen. (...) Schlimmstenfalls hätte man mich sicherlich selbst erschossen."

Gustav W.: "Für mich und ich meine, dass auch die anderen Reservisten den Eindruck hatten, stand fest, dass eine Weigerung der Ausführung des Befehls an der Aktion teilzunehmen, tatsächlich mit dem Tode bestraft wird."

Josef D: "Bei einer Befehlsverweigerung wusste ich, was mir geschehen könnte, denn wir unterstanden auch als Reservisten der SS- und Polizeigerichtsbarkeit. (...) Wie sollte ich nun als Reservist (....) den Befehl verweigern."

Otto S.: "Es wäre seinerzeit undenkbar gewesen, den einmal gegebenen bzw. erhaltenen Befehl (...) nicht auszuführen. Ich war seinerzeit nur Reservist und kein aktiver Beamter. (...) Außerdem möchte ich zum Punkt der Befehlsverweigerung sagen, dass auch wir Reservisten der SS- und Polizeigerichtsbarkeit unterstanden. Ich weiß, dass diese Gerichte hohe und höchste Strafen - einschließlich die Todesstrafe - bei oft geringen Vergehen verhängten. Ich frage also, wie wäre es mir zuzumuten gewesen, den Befehl zu verweigern?"

Willi D.: "Uns war auch weiterhin bekannt, dass wir Reservisten der SS- und Polizeigerichtsbarkeit unterlagen. Bekanntlich verhängten diese allein schon für kleine Delikte hohe und höchste Strafen - einschließlich die Todesstrafe. Wie sollte ich nun als kleiner Reservist auf Grund der mir drohenden Gefahren den mir gegebenen Befehl (...) nicht befolgen. Es war also ganz unmöglich."

Adolf Wilp erinnerte sich: "Wie sollte ich mich als kleiner Reservist (...) einem Befehl widersetzen? Außerdem weiß heute wohl jeder, was in der Kriegszeit auf Befehlsverweigerung stand. U.U. die Todesstrafe, denn wir unterlagen auch als Reservisten der SS- und Polizeigerichtsbarkeit."

Heinrich H.: "Abschließend möchte ich noch sagen, dass uns bekannt war, dass wir der SS-und Polizeigerichtsbarkeit unterlagen. Derartige Gerichte sprachen bereits für geringe Delikte hohe und höchste Straßen aus - u.a. auch die Todesstrafe. Aus meinen Ausführungen geht klar hervor, dass ich mich in der damaligen Zeit - auf Grund der mir drohenden Gefahr hin - als einzelner gegen den gegebenen Befehl nicht auflehnen konnte. Es war ganz einfach unmöglich."

Florian K.: "ich konnte doch unmöglich in der damaligen Zeit den Befehl (...) verweigern. Man hätte mich möglicherweise gleich dazugestellt."

Albert F.: "Zusätzlich möchte ich sagen, dass wir als Polizisten der SS- und Polizeigerichtsbarkeit unterlagen. Diese Sondergerichte verhängten hohe und höchste Strafen für oft geringe Vergehen. Hierbei beziehe ich auch die Todesstrafe mit ein."

Lediglich der Spieß der 3. Kompanie Alex K., wollte sich nicht als Beschuldigter vernehmen lassen, "obwohl mir durch den vernehmenden Beamten die Gründe, die zur heutigen Vernehmung führten, zur Kenntnis gebracht wurden". Hat er möglicherweise nicht verstanden, was Sinn der Vernehmung war? Offen ist auch die Frage, wer den Polizisten die wahrscheinlich vorformulierten Aussagen in den Mund gelegt hat, die für das Protokoll jeweils leicht abgewandelt wurden. Ob das vor den Vernehmungen oder erst unmittelbar bei den Vernehmungen geschah? Wie dem auch sei, für die Beschuldigten war das Verfahren ein voller Erfolg. Es wurde eingestellt.

Auch viele Angehörige des Polizeibataillons 65 konnten nach 1945 Karriere machen bzw. fortsetzen. So bspw. auch Walter Stein, von Sommer 1941 bis Anfang 1942 Zugführer in der 1. Kompanie, ab August 1942 Zugführer in der 3. Kompanie, anschließend Adjutant beim SS- und Polizeiführer Radom. Höchster Rang: Oberleutnant.

Quellenwerke: Stefan Klemp, "Nicht ermittelt" Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz. Essen 2005
Martin Hölzl "Buer und Belzec" in Stefan Goch (Hg.), "Städtische Gesellschaft und Polizei", Klartext. Essen 2005
Annaberger Annalen; Christoph Dieckmann, Überlegungen zur deutschen Besatzungsherrschaft in Osteuropa 1941-1944: Das Beispiel Litauen

[Anm. d. Verf.: Walter Stein, (5.10.1913–1999). Abitur; 1936 Eintritt in die Kriminalpolizei (Hannover); 1938 Kriminalkommissar-Prüfung an der Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg. Seit 1939 im sicherheitspolizeilichen Einsatz im „Protektorat Böhmen und Mähren“. Stein war neunzehnjährig in die SA eingetreten (Juni 1933), der er bis Oktober 1934 angehörte (in dieser Zeit, im Februar 1934, wurde er zum Sturmmann befördert); im Anschluss daran Mitglied des NSKK bis zu seiner Aufnahme in die SS am 2. Juni 1938 (Nr. 290996); zuletzt am 30. Januar 1943 zum SS-Hauptsturmführer befördert. Mitglied der NSDAP seit dem 1. Mai 1937 (Nr. 4611018)]

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Andreas Jordan, Oktober 2007

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