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Zwangsarbeit in Gelsenkirchen 1940-1945

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Von der Dimension der Zwangsarbeit im lokalen Raum

Nicht wenige Firmen haben in der Zeit zwischen 1933 und 1945 gute Geschäfte gemacht und direkt von der Nazi-Herrschaft profitiert. Es waren eben nicht nur die großen Industriebetriebe, Zechen und Konzerne, auch unzählige kleinere Firmen, Handwerksbetriebe, kirchliche Einrichtungen, Kommunen, Landwirte und auch Privatpersonen haben sich ab 1940 auf Kosten von Zwangsarbeitenden die Taschen gefüllt.

Mehr noch als andere nationalsozialistische Massenverbrechen fand die Zwangsarbeit direkt vor der Haustür der "Volksgemeinschaft" statt, fast jeder Deutsche hatte ein Zwangsarbeiterlager bzw. eine entsprechende Unterkunft in der Nachbarschaft. Allein in Gelsenkirchen sind mehr als 260 Lager/Unterkünfte nachgewiesen. Mancher "Volksgenosse" protestierte gar gegen die Einrichtung eines so genannten "Ausländerlagers" in seinem Wohngebiet und die – so ein Berliner in einer Beschwerde – "damit drohende Überflutung der Gegend durch herumlungernde Ausländer".

Ein Großteil der nach Nazi-Deutschland verschleppten Menschen hat den harten und unmenschlichen Zwangsarbeitseinsatz nicht überlebt. Besonderer Gefahr waren die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auch während Bombenangriffen ausgesetzt, zumeist durften sie die Schutzräume nicht aufsuchen. In Westfalen starben während des Zweiten Weltkrieges insgesamt circa 123.000 Zwangsarbeitende (zivile ausländische Arbeitskräfte, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge), davon allein in Gelsenkirchen mehr als 3.500 versklavte Menschen.

Viele Deutsche auf den unteren Ebenen nutzten ihre Funktionen aus und verdienten an den Zwangsarbeitern mit - so auch in Gelsenkirchen. Sie nötigten einzelne Zwangsarbeiter zu ungünstigen Tauschgeschäften oder bestahlen sie auf andere Weise, unter anderem durch die Verschiebung von Nahrungsmitteln. Einen besonderen dreisten Fall des Lebensmitteldiebstahls meldete zum Beispiel der Betriebsarzt der Zeche Hannover/Hannibal in Bochum, der einen deutlichen körperlichen Verfall in einem Zwangsarbeiterlager festgestellt hatte. Die Ursache war schnell gefunden: Die für die Lebensmittelversorgung Verantwortlichen hatten einen beachtlichen Teil der den Zwangsarbeitern zustehenden Rationen nicht ausgegeben und stattdessen ein Schwein für sich gemästet.

Unrechtsorte Zwangsarbeit

Die Verortung von Lagern/Unterkünften auf den folgenden 20 Luftbildern soll auch deutlich machen, wie dicht Zwangsarbeitende und "Volksgemeinschaft" gelebt haben - nachgewiesen sind für Gelsenkirchen in der Summe mindestens 268 Standorte. Offen bleibt für viele Lagerstandorte, wie lange sie bestanden haben, wie hoch die Belegungsziffern waren und woher die dort untergebrachten Menschen kamen.

Niemand kann die Kolonnen der Zwangsarbeitenden beispielsweise auf ihren Wegen zwischen den Lagern und Arbeitseinsatzstellen "übersehen" bzw. "überhört" haben. Wir wollen mit der Verortung ausgewählter Standorte auf den Fotos den vergessenen Zwangsarbeitenden gedenken, Lücken in der Lokalgeschichte Gelsenkirchens schließen und nicht zuletzt Anregungen zu weiteren Forschungen zum Thema Zwangsarbeit in der eigenen Familienhistorie geben.

Mit den nachfolgenden Informationen wird es noch schwerer, die altbekannte Ausrede aufrecht zu erhalten: "Wir haben doch nichts davon gewusst". Alle hier genannten Firmen und Privatpersonen profitierten in unterschiedlicher Ausprägung von Zwangsarbeit.

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Essener Strasse 96/98, Gelsenkirchen

Abb. 1 | 1: Fläche heute überbaut (Rewe/Getränkemarkt), 2: Steinrottstraße, 3: Essener Straße, 4: Gregor Steimann, Apparatebau, Essener Strasse 96/98, Profiteur Zwangsarbeit; 5. Coburgerstraße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Im neuen Kamp 1, Gelsenkirchen

Abb. 2 | 1: Heute überbaut, Hallenbad Horst, 2: Johannastraße, 3: Fa. Friederich Grolmann (Eigentümerin Bernhardine Grolmann, Betriebsleiter Helmut Grolmann, Im neuen Kamp 1, Profiteure Zwangsarbeit; 4: Heute Buerer Straße, 5. Horster Stern

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Devensstraße 123, Gelsenkirchen

Abb. 3 | 1: Heute 'Zum Bauverein', 2: Gaststätte Franz Norkus (Saal, Zwangsarbeiter der Gelsenberg Benzin AG, Hydrierwerk Horst), Devensstr. 123, Profiteur Zwangsarbeit; 3: Devensstraße, 4: Heute Nordsternschule, 5. ehem. Diesterwegschule (Horst) - heute überbaut, Kindertagesstätte.

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Blumenstraße 25, Gelsenkirchen

Abb. 4 | 1: Emscher, 2: Städt. Nordsternschule (1939) 3: Zwangsarbeiterlager GBAG, Gruppe Gelsenkirchen, Zeche Nordstern und der Ruhrgas AG, Profiteur Zwangsarbeit; 4: Heute überbaut, BUGA-Gelände, 5: Blumenstraße, 6: Wallstraße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Buerer Straße 71 und 92, Gelsenkirchen

Abb. 5 | 1: Jenbacherstraße, 2: Gastwirt Friederich Wahmann, Buerer Straße 71, Profiteur Zwangsarbeit; 3: Buerer Straße, 4: Ekertstraße, 5: Wilhelm Schmitz, Gastwirt, Buerer Straße 92, Profiteur Zwangsarbeit; (Unter beiden Adressen waren Zwangsarbeiter der Gelsenberg Benzin AG, Hydrierwerk Horst 'untergebracht'), 6: Johann Lamperhoff (Karosseriebaumeister), Profiteur Zwangsarbeit.

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Bochumer Straße 156, Gelsenkirchen

Abb. 6 | 1: Virchowstraße, 2: Bochumer Straße, 3: Bochumer Straße 156, Ernst Heilmann (Kraftfahrzeughaus), Profiteur Zwangsarbeit; Anna Krelaus (Futtermittelhandlung), Profiteur Zwangsarbeit; Albert Stork (Kraftfahrzeughaus),Profiteur Zwangsarbeit; Wilhelm Eckardt Gmbh (Eisen- u. Blechkonstruktionen), Profiteur Zwangsarbeit; 4: Flöz Dickebank, 5: Stephanstraße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Freiligrahtstraße 30, Gelsenkirchen

Abb. 7 | 1: Kurt-Schumacher-Straße, 2: Freiligrahtstraße, Nr. 30, Carl Keller (Blechwarenfabrik u. Verzinkerei) und Josef Norres (Zünderfabrik),Profiteure Zwangsarbeit; 4: Am Rosenhügel

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Grillostraße 47, 57 u. 88, Gelsenkirchen

Abb. 8 | 1: Grillostraße 88, Paul Mertmann (Privathaushalt),Profiteur Zwangsarbeit; 2: Grillostraße 57, Ernst Diel (Fuhrunternehmer), Profiteur Zwangsarbeit; 3: St. Joseph Kirche, 4: Grillostraße 47, Dr. med. A. Klüter (Arzt), Profiteur Zwangsarbeit; 5: Kurt-Schumacher-Straße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Hochkampstraße, Hubertusstraße, Walzerstraße, Gelsenkirchen

Abb. 9 | 1: Zwangsarbeiterlager Hubertusstraße (Mannesmannröhren-Werke, Abteilung Grillo Funke, heute überbaut mit Baumarkt Hornbach), 2: Glückauf-Kampfbahn, 3: Zwangsarbeiterlager Walzerstraße (Mannesmannröhren-Werke, Abteilung Grillo Funke), 4: Hochkampstraße (62-115 Eigentümer Glas u. Spiegel AG), Fr. Th. Ingenhaag (Kohlengroßhandlung),Profiteur Zwangsarbeit; Mannesmann Röhrenwerke, Abt. Steinkoh- lenbergwerk Consolidation, Profiteur Zwangsarbeit; Max Adler & Co. (Kohlen- u. Baustoffgroßhandlung), Profiteur Zwangsarbeit; F.W. Schmitz (Kohlengroßhandlung),Profiteur Zwangsarbeit; 5: Kurt-Schumacher-Straße, 6: Üchtingstraße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Schalker Straße 161, Gelsenkirchen

Abb. 10 | 1: Grillostraße, 2: Schalker Straße 161, Gebrüder Gerards (Keks-, Zwieback- u. Waffelfabrik), Profiteur Zwangsarbeit und Gemeinschaftsküche Karl Wessel, Profiteur Zwangsarbeit; 3: Kurt-Schumacher-Straße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Urbanustraße 32a, Gelsenkirchen

Abb. 11 | 1: Luggendelle, 2: Wörthstraße, Urbanusstraße 32a, Eugen Knecht (Spedition),Profiteur Zwangsarbeit; 4: Romanusstraße, 5: Urbanusstraße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Wanner Straße 47, Gelsenkirchen

Abb. 12 | 1: Bismarckstraße, 2: Am Böhlingshof, Wanner Straße 47, Elvir Voigt (Autofabrik), Profiteur Zwangsarbeit; 4: Bulmkerstraße, 5: Hertastraße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Nienhausenstrasse 36, Gelsenkirchen

Abb. | 1: Nienhausenstraße, Nr. 36 Westdeutscher Traberzucht und Rennverein, Rennstall Neuenfeld, Profiteur Zwangsarbeit; 3: Trabrennbahn, heute GelsenTrabPark

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Am Markt 4, Gelsenkirchen

Abb. 14 | 1: Böningstraße, 2: Hertener Straße, 3: Am Markt 4, Evangelische Kirchengemeinde Pastor August Donner (Privathaushalt) Profiteur Zwangsarbeit und Pfarrer Ernst von der Heide (Privathaushalt) Profiteur Zwangsarbeit; 4: Kaiser-Wilhelm-Denkmal (Jubiläums-Brunnen), 5: Evangelisches Pfarramt Resse, 6. Evangelische Pauluskirche

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Essener Straße 65 und 71, Gelsenkirchen

Abb. 15 | 1: Fürstenbergstraße, 2: Essener Straße 71 Johann Sander (Handwerker), Profiteur Zwangsarbeit; 3: Essener Straße 65, Josef Stangier (Metzger), Profiteur Zwangsarbeit; 4: Bottroper Straße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Gelsenkirchener Straße 7-11, Gelsenkirchen

Abb. 16 | 1: Gelsenkirchener Straße 7-11 (Heute Kurt-Schumacher-Straße), Egon Gladen AHAG (Automobilkaufmann), Profiteur Zwangsarbeit; 2: Polizeipräsidium Buer, 3: Rathaus Buer

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Kirchstraße 36, Gelsenkirchen

Abb. | 1: Ringstraße, 2: Weberstraße, 3: Kirchstraße 36, Katholisches Krankenhaus Marienhospital, Profiteur Zwangsarbeit (Heute überbaut)

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Tom Hövel 4, Gelsenkirchen

Abb. 18 | 1: Horster Stern (Bereich städtebaulich völlig neu gestaltet), 2: Tom Hövel 4 (Straße existiert heute nicht mehr), 3: St. Josefs Hospital, Profiteur Zwangsarbeit; 4: heutige Turfstraße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Wilhelmstraße 34, Gelsenkirchen

Abb. 19 | 1: Darler Heide, 2: Angelnstraße, 3: Wilhelmstraße 34, Gustav Laduga (Drogerie), Profiteur Zwangsarbeit; 4: Weststraße

Unrechtsorte Zwangsarbeit, Wilhelmstraße 34, Gelsenkirchen

Abb. 20 | 1: Josefinenstraße, Stadt Gelsenkirchen (Fahrbereitschaft), Profiteur Zwangsarbeit; 2: Uechtingstraße, 3: Parallelstraße

An verscheidenen Adressen im Stadtgebiet befanden sich gleich mehrere Zwangsarbeiterlager/-unterkünfte, sodass sich insgesamt eine Zahl von 268 Lagern/Unterkünften für Zwangsarbeiter (und Kriegsgefangene) in Gelsenkirchen zwischen 1940-1945 (nach Roland Schlenker) feststellen lässt.

Quellen:
Historische Luftbilder der Stadt Gelsenkirchen zw. 1926-1952, Lizenz: Regionalverband Ruhr, CC BY-NC-SA 4.0; (nicht-kommerzielle Nutzung; Weitergabe unter gleichen Bedingungen) | © Stadt Gelsenkirchen, © Regionalverband Ruhr

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Andreas Jordan, April 2019

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